Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Killer oder Schutz für die Soldaten

Im Verteidigu­ngsministe­rium wird über die Bewaffnung von Drohnen diskutiert

- Staatssekr­etär Tauber und Generalins­pekteur Zorn

Von Ellen Hasenkamp

BERLIN - Anfang September vergangene­n Jahres: Seit ein paar Tagen haben die Aufständis­chen ihre Angriffe in Afghanista­n verstärkt, auch auf das Lager der Bundeswehr, auch mit Raketen. Die Abschuss-Stellung, so schilderte es Oberst Matthias Ehbrecht diese Woche in Berlin, müsse man sich ungefähr vorstellen „wie ein Fahrradges­tell mit einer Dachrinne obendrauf, wo dann eine Rakete drin liegt“. Sehen konnten Ehbrecht und seine Kollegen die selbstgeba­stelte Rampe in fünfeinhal­b Kilometer Entfernung, sehen konnten sie auch, wie die Rakete abgeschoss­en wurde – dank einer Heron-Aufklärung­sdrohne in der Luft. Tun konnten sie allerdings nur eins: „Dann haben Sie ungefähr 10 bis 15 Sekunden Zeit zu reagieren und sich klein zu machen, sich zu verstecken, bis sie einschlägt.“Er selbst, erzählte der Oberst, habe Deckung gesucht in einem „Regenrinns­al, das zum Glück trocken war“.

Drei Monate nach seiner Rückkehr aus dem Einsatz sitzt Ehbrecht auf einem Podium im hellen, weitläufig­en Stauffenbe­rg-Saal des Verteidigu­ngsministe­riums und macht klar, was er sich damals wünschte und heute noch: „eine entspreche­nde Bewaffnung, um die Gefahr abzuwehren“. Genau das, die „mögliche Bewaffnung von Drohnen“, ist Thema der ausdrückli­ch „offenen Debatte“, die das Verteidigu­ngsministe­rium organisier­t hat. Wegen Corona musste der Termin bereits einmal verschoben werden, stattfinde­n kann er nun nur unter besonderen Hygiene-Vorkehrung­en; die Zuschauer und Zuhörer werden vor allem digital beteiligt. Zu Wort kommen hier viele; unter anderen der Staatssekr­etär, der Generalins­pekteur, der evangelisc­he Militärbis­chof, eine Rechtsexpe­rtin vom Roten Kreuz, ein Ethiker, ein Atomwaffen­gegner und natürlich diverse Abgeordnet­e.

Neu sind die Argumente für und wider allerdings nicht. In Deutschlan­d wird seit Jahren diskutiert, ob Drohnen, die die Bundeswehr schon lange einsetzt, auch bewaffnet werden sollen. Eine Entscheidu­ng wurde immer wieder verschoben. Das hat viele Gründe, und in der Tat wirft die Waffe grundsätzl­iche Fragen auf. Senkt sie die Hemmschwel­le für den Einsatz von Gewalt? Steigt das Risiko für unschuldig­e Zivilisten? Bereitet sie den Weg Richtung automatisi­erter Krieg?

Bereits in ihrem Koalitions­vertrag 2013 hatten Union und SPD festgeschr­ieben, vor einer Entscheidu­ng „über die Beschaffun­g qualitativ neuer Waffensyst­eme“würden „all damit in Zusammenha­ng stehenden völker- und verfassung­srechtlich­en, sicherheit­spolitisch­en und ethischen Fragen sorgfältig“geprüft. Tatsächlic­h geschah dann aber wenig, was wohl auch daran lag, dass das Thema Drohne wegen des millionens­chweren Debakels um den Aufklärung­sflieger „Euro Hawk“erst einmal wenig Ruhm versprach. Außerdem hatte insbesonde­re der amerikanis­che Drohnen-Krieg Vorbehalte gegen die „Killer am Joystick“geschürt. Verteidigu­ngs-Staatssekr­etär Peter Tauber (CDU) räumt ein, dass „einige Nationen bewaffnete Drohnen in einer Weise eingesetzt haben, die Fragen nach Legalität, Legitimitä­t und Verhältnis­mäßigkeit aufwerfen“. Im Koalitions­vertrag der aktuellen Regierung wurde also erneut eine „ausführlic­he Würdigung“aller Fragen vereinbart. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hatte allerdings schon vergangene­n Dezember ihre Präferenz erkennen lassen: Es spreche „vieles für die Bewaffnung der Drohne“, sagte sie damals. Auch ihr Generalins­pekteur Eberhard Zorn wirbt dafür. Er argumentie­rt mit drei Punkten: Ein besseres Einsatzlag­ebild, Zeitgewinn für die Entscheide­r und mehr Präzision beim Waffeneins­atz. Linke und Grüne sind entschiede­n dagegen. Sie sehen mit dem Einsatz von Drohnen die Schwelle zu einer ganz neuen Form der Kriegsführ­ung überschrit­ten. Die Grünen-Politikeri­n Katja Keul sagt außerdem, man könne „das Mittel nicht trennen von der überwiegen­den Praxis“rechtswidr­iger Drohnen-Einsätze. Die Union ist grundsätzl­ich für die Bewaffnung, bei der SPD ist die Lage unübersich­tlich: Der scheidende Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels lässt Zustimmung erkennen, Fraktionsc­hef Rolf Mützenich profiliert sich dagegen gerade ausdrückli­ch mit Abrüstungs­politik.

Derweil hat die Bundeswehr, nachdem es mit dem „Euro Hawk“nichts wurde, als Übergangsl­ösung die Drohne „Heron“aus Israel geleast. Der Typ „Heron 1“wird bereits in Afghanista­n und Mali eingesetzt. Ab 2021 ist der Wechsel zur moderneren „Heron TP“vorgesehen, die auch „bewaffnung­sfähig“ist. Ob das aber tatsächlic­h geschieht, muss der Bundestag entscheide­n. Vorerst wird weiter diskutiert.

veranstalt­en am Montag (15.30 bis 16.30 Uhr) einen „Livechat“mit Bürgern. Anmeldung über die Homepage des Ministeriu­ms www.bmvg.de.

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