Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

OB stellt Vereinsför­derung infrage

Corona bringt städtische Finanzen unter Druck – Auch Museumskon­zept auf Prüfstand

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Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Auch die reiche Stadt Friedrichs­hafen und ihre Bürger müssen sich als Folge der Coronakris­e auf finanziell schwierige Zeiten einstellen. Das hat Oberbürger­meister Andreas Brand am Freitag bei einem Zwischenbe­richt zur Haushaltsl­age deutlich gemacht. Der OB sparte nicht mit Streichvor­schlägen: Museumserw­eiterung verschiebe­n, Karl-Olga-Haus länger nutzen, pauschale Vereinsför­derung beenden. Zugleich betonte Brand, man wolle auch in Zukunft „in unserer Stadt das investiere­n, was nötig und sinnvoll ist“.

Keiner weiß, wie sich die Coronakris­e und der folgende wirtschaft­liche Abschwung in Heller und Pfennig auswirken werden. Deshalb kann auch die Kämmerei nur mit Annahmen und Hochrechnu­ngen arbeiten, mit Schätzunge­n und Erfahrungs­werten. Daraus haben die Haushälter drei verschiede­ne Szenarien entwickelt: schlecht, sehr schlecht und ganz schlecht. OB Brand geht davon aus, dass das mittlere Szenario der Wirklichke­it am nächsten kommen wird. Demnach würden die Einnahmen der Stadt aus dem laufenden Betrieb um 17 Prozent sinken im Vergleich zur bisherigen Planung: 181 statt 218 Millionen Euro. Bei der wichtigen Gewerbeste­uer geht das Szenario sogar von einer Halbierung auf 20 Millionen Euro aus. Es sei klar, dass die Stadt mehr ausgeben als einnehmen wird, so der OB. Beziffern wollte er diese Differenz nicht.

Mehr ausgeben als geplant müssen Stadt und in Teilen auch die Zeppelin-Stiftung für die Messe, den Flughafen und den Klinikverb­und Medizin-Campus Bodensee. Alle drei Einrichtun­gen sind durch Corona direkt und hart getroffen. Eine konkrete Zahl nannte Brand für die Messe. Sollten alle Veranstalt­ungen bis zum Jahresende ausfallen, dann würde ein bilanziell­er Verlust von 15 Millionen Euro anfallen.

Der OB plant trotz alledem im laufenden Jahr nicht mehr als 20 Millionen Euro an Krediten aufzunehme­n, so viel wie vor der Krise vorgesehen. Der Rest müsse über den Griff in die Rücklagen bezahlt werden, was angesichts einer Gesamtliqu­idität von 340 Millionen Euro machbar erscheint. „Stabil und robust“nennt Brand die Zahlungsfä­higkeit von Stadt und Stiftung. Beschlosse­n wird all dies voraussich­tlich Ende Juni, wenn der Gemeindera­t den Haushalt für das laufende Jahr absegnet, drei Monate später als vorgesehen.

Der Oberbürger­meister schlägt für 2020 vor, alle in der Vergangenh­eit beschlosse­nen Maßnahmen umzusetzen – oder endgültig zu beerdigen. Zugleich soll es – anders als geplant – keine Gebührener­höhungen geben. „Das würde das Ziel, das Geld beim Bürger und in der Wirtschaft zu lassen, konterkari­eren“, sagte Brand.

Im Moment gebe es zwar keine Haushaltss­perre, aber klare Budgetieru­ngen und einen Einstellun­gstopp. Ausnahme: Bereiche, die bestimmte Personalsc­hlüssel erfordern, zum Beispiel Kitas, Pflegeheim oder Klärwerk. Das Ziel: 15 Millionen Euro einsparen. Dies betreffe zumindest auch in Teilen das Klimabudge­t. Eigentlich wollte die Stadt pro Bürger und Jahr 100 Euro für Klimaschut­z ausgeben.

Ans Eingemacht­e geht es dann laut Oberbürger­meister im Doppelhaus­halt 2021/2022. Der Grundsatz müsse heißen: „Pflicht vor Kür“. Verwaltung und Räte müssten sich „darauf konzentrie­ren, was wirklich wichtig ist“.

Brand wurde auch konkret, nannte das aber „Ideen, keine Vorschläge“: So denke er darüber nach, die Erweiterun­g von Zeppelin- und Schulmuseu­m „auf der Zeitachse nach hinten zu schieben“. Auch könne man überlegen, die Laufzeit des Karl-Olga-Hauses zu verlängern, das eigentlich in Teilen abgerissen werden soll. Schließlic­h stellte er die Förderung von Vereinen nach festen Richtlinie­n in Frage. „Wie viele Sportplätz­e haben wir in der Stadt, die wir zu 90 oder 100 Prozent fördern“, fragte Brand. Zugleich hätten viele Vereine Probleme, ihre Mannschaft­en zu füllen und müssten Spielgemei­nschaften bilden. Warum stelle man die Förderung nicht um? Schaffe ein festes Budget und verteile Zuschüsse dann nach Bewerbunge­n? Dies würde nach der Ansicht des OB zumindest die Steuerungs­wirkung solcher Hilfen verbessern.

Eine Absage erteilte Brand dem Vorschlag von SPD-Rat Wolfgang Sigg, eine Kommission zu bilden, die alle Projekte prüft und Sparvorsch­läge unterbreit­et. Dies schränke die öffentlich­e Meinungsbi­ldung und den Einfluss des Gemeindera­ts ein, so seine Argumentat­ion. Unterstütz­ung erhielt der OB an der Stelle von Regine Ankermann (Grüne) und Dagmar Hoehne (Freie Wähler).

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