Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erinnerung an Rolf Hochhuth

Der verstorben­e Dramatiker hatte persönlich­e Bezüge zu Friedrichs­hafen

- Von Franz Hoben Franz Hoben Außerdem: & sowieso: Aus der Bibel: Namenstage: Aktionstag­e: Heute vor 147 Jahren:

FRIEDRICHS­HAFEN - Am 13. Mai meldeten die Medien, dass Rolf Hochhuth, einer der bedeutends­ten deutschen Theateraut­oren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts, gestorben ist. Er war der maßgeblich­e Begründer des Dokumentar­theaters, hatte internatio­nale Erfolge und löste mit einigen seiner Stücke politische Erdbeben aus.

Auch zu unserer Region hatte Rolf Hochhuth eine Beziehung. Zusammen mit Martin Walser hatte er das Meersburge­r Sommerthea­ter in der inzwischen längst abgerissen­en Hämmerle-Fabrik initiiert. 17 Jahre lang wurde dort vom Stadttheat­er Konstanz im Juli Theater gespielt. 1988 lernte ich Rolf Hochhuth persönlich kennen, als ich ihn zu einer Autorenles­ung nach Friedrichs­hafen eingeladen hatte. Es war eine kleine Sensation, dass der in dieser Zeit berühmtest­e Intellektu­elle, Schriftste­ller und Mahner, der sich in provokante­r Weise mit der Zeit des Nationalso­zialismus und mit aktuellen politische­n und sozialen Fragen auseinande­rsetzte, zu uns kam.

Nach der Lesung und Diskussion verbrachte­n wir den Abend im Restaurant von „Mama Teresa“in der

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Olgastraße. Hochhuth dozierte über Geschichte und Politik, war aber auch überaus neugierig und wissbegier­ig und stellte differenzi­erte Fragen. Zahlreiche Stücke von Hochhuth sind in Friedrichs­hafen aufgeführt worden. Bereits 1968 ging sein Stück „Soldaten“, in dem es auch um die Rolle Churchills im Zweiten Weltkrieg ging, in der alten Festhalle in der Scheffelst­raße über die Bühne. Was wurde noch in Friedrichs­hafen gespielt? „Ärztinnen“, „Wessis in Weimar“, ein Stück über zweifelhaf­te Praktiken der Treuhandge­sellschaft nach der Wende, „Sommer 14“, „Eine Liebe in Deutschlan­d“, „Unbefleckt­e Empfängnis“. Diese Stücke waren im Graf-Zeppelin-Haus und im Bahnhof Fischbach zu sehen.

Hochhuth lebte lange Zeit in Grenzach-Wyhlen im Landkreis Lörrach, fast ein Katzenspru­ng bis Friedrichs­hafen. Zur Aufführung seiner Stücke reiste er an und er kam zu Autorenles­ungen. Vielleicht war dies ein folgenreic­her Abend Ende September 1993: Hochhuth und ich saßen zusammen und redeten bis weit nach Mitternach­t. Ich erzählte ihm von Elisabeth von Ardenne, deren Schicksal Fontane als Vorbild für seine „Effi Briest“genommen hatte, erzählte, dass sie in Lindau gelebt und als Krankensch­wester gearbeitet hatte, er fragte mich nach Zeppelinge­schichten aus, deren Einsatz im Ersten Weltkrieg, und wir kamen auf die Bombardier­ung von Friedrichs­hafen zu sprechen.

1996 erschien Hochhuths Monolog „Effis Nacht“. Das Stück spielt in einer Nacht 1943, die Protagonis­tin ist Frau von Ardenne, die einen sterbenden Soldaten pflegt. Von Lindau aus sieht sie die Bombardier­ung von

Friedrichs­hafen und die brennende Stadt. Hochhuth lässt Frau von Ardenne verbittert über den Grafen Zeppelin sagen: „Der großartige, sonst immer so ritterlich­e Kavalier begriff überhaupt nicht, wieso ich nicht guthieß, dass Zeppeline ins Häusermeer von London Bomben warfen…“Als das Stück 2004 in der Inszenieru­ng des „theater 89“auf die Bühne kam, war die Premiere in Friedrichs­hafen, mit dem Autor als Premiereng­ast.

In diesem Monolog hat Hochhuth auch ein stückweit der dramatisch­en Geschichte unserer Stadt seine Referenz erwiesen. Ich bilde mir ein, diesen Text vielleicht mit angeregt zu haben durch unser intensives Kneipenges­präch. Freilich hat der rücksichts­lose Aufklärer aus dem Stoff gemacht, was er wollte. Klug und wissend und kämpferisc­h, mit einem politisch hochmorali­schen Anspruch habe ich Hochhuth erlebt. So kindlich-streitsüch­tig er sein konnte und im Alter vielleicht auch in kleinen Dingen, so war er nicht minder liebenswer­t.

Es ist ein wunderbare­s Gefühl, wenn einem der Vater nicht als Gottheit, sondern als Mensch erscheint. Wenn er von dem Berg herabsteig­t, man ihn als normalen Erdenbürge­r mit all seinen Schwächen sieht und als solchen liebt. (Robin Williams, 1951 bis 2014, USamerikan­ischer Komiker)

ist stellvertr­etender Leiter des Kulturbüro­s Friedrichs­hafen.

Religion muss sein, sonst ist man an einigen Festen wie Weihnachte­n, Ostern, Pfingsten, Christi Himmelfahr­t schwer aufgeschmi­ssen. (Anonym)

Es gibt viele Väter, die Kinder haben, aber nur wenige Kinder, die Väter haben. (Francis De Croisset)

Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. (Joh 14,8)

Dietmar

Felix, Blandina und

Mittwoch: deutscher Venentag, Internatio­naler Bienentag

1873: Der Stoffhändl­er Levi Strauss und der Schneider Jacob Davis lassen gemeinsam genietete Hosen aus Denim-Stoff patentiere­n, die sogenannte­n Jeans.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT Rolf Hochhuth reiste zu Lesungen und zu den Inszenieru­ngen seiner Stücke nach Friedrichs­hafen. Zudem wurde er in Friedrichs­hafen zu seinem Monolog „Effis Nacht“angeregt.

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