Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die letzten Tage werden zum Spießrutenlauf
In Tunesien kippt die Stimmung – Europäer sind plötzlich unerwünscht
SALEM (sz) - Der Salemer Fotograf Patrick Scholz und seine Freundin Lisa Nuber fahren gemeinsam mit Hund Oskar im VW Bus durch Europa. Von unterwegs unterstützen sie auf verschiedene Weise soziale Projekte. In unregelmäßigen Abständen berichten sie in der „Schwäbischen Zeitung“von ihren Erlebnissen. In letzter Zeit war es sehr ruhig um die beiden. Warum das so ist und wie es den Reisenden in letzter Zeit, nach Ausbruch der Corona-Pandemie, erging, ist in diesem Artikel zu lesen.
„Nachdem wir zwei Monate auf der wunderschönen Insel Sizilien verbracht haben, zieht es uns wieder einmal nach Afrika. Tunesien ist mit der Fähre nur einige Stunden von Sizilien entfernt, und so entschließen wir schnell, für ein paar Wochen oder vielleicht auch Monate dorthin überzusetzen.
Es ist gerade Mitte Februar. Corona ist zu diesem Zeitpunkt schon ein Thema, auf Sizilien merken wir davon aber rein gar nichts. Keinerlei Einschränkungen oder Maßnahmen. Das ist auch der Grund, warum wir das Ganze zu Beginn eher weniger ernst nehmen und beschließen nach Tunesien zu fliehen, bevor es in Italien zu ungemütlich wird. Eine Entscheidung, die wir noch bereuen werden..
So steigen wir am 10. März auf die Fähre von Palermo nach Tunis und bemerken auch hier während der ersten beiden Tage relativ wenig im Hinblick auf Corona. Wir werden wahnsinnig herzlich von den Tunesiern in ihrem Land empfangen. Fast ein jeder heißt uns willkommen und möchte wissen, wie es uns hierher getrieben hat. Wir fahren von Tunis nach Kelibia und schauen uns den „Fort de Kelibia“an, wo die Securities uns einladen, auf dem Parkplatz zu übernachten. Es gibt in ganz Tunesien nur eine Handvoll Campingplätze. Daher ist wildcampen weitläufig akzeptiert und so gut wie überall problemlos möglich. Wir fahren weiter nach Nabeul und treffen dort auf ein Paar aus Holland, mit dem wir einen schönen Abend verbringen bevor am nächsten Tag die Stimmung kippt. Der Präsident hat am Abend eine Ansprache gehalten, woraufhin ein sofortiger teilweiser Lockdown stattfindet.
Geschäfte dürfen nun nur noch ein paar wenige Stunden am Tag öffnen, in den Abend- und Nachtstunden herrscht strikte Ausgangssperre. Und das binnen zwei Tagen. Wir merken wie die Stimmung kippt – viele Menschen haben plötzlich Angst vor uns Europäern und befürchten, dass wir das Virus in ihr Land bringen. Es ergeht uns wie zuvor vielen Asiaten in Europa – wir werden zur Gefahrenquelle erklärt. Immer häufiger wird uns beim Einkaufen ,Corona’ hinterhergerufen. Auch bemerken wir, dass einzelne Leute sich die Jacken übers Gesicht ziehen oder die Hände vor den Mund halten, wenn wir an ihnen vorbeilaufen. Andere Reisende berichten von kleineren Aufständen vor touristischen Hotels.
Auch wenn unsere Erlebnisse vergleichsweise harmlos waren, haben wir uns schnell sehr unwohl gefühlt. Da uns die schlechte Stimmung etwas Sorgen bereitet und wir nicht abschätzen können, wie sich die Situation in den kommenden Tagen und Wochen wohl entwickeln mag, schauen wir noch am selben Abend nach einer Fähre zurück nach Sizilien. Vergeblich. Alle Fähren sind auf unbekannte Zeit gestrichen. Gemeinsam mit unseren holländischen Freunden überlegen wir, was wir denn nun tun und beschließen schnell, das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben ja Zeit und können die Krise hier aussitzen. Gemeinsam fahren wir Richtung Süden, wo wir zwei Nächte in Zaghouan verbringen und herzlich von einem Schäfer eingeladen werden, auf seinem Land zu campen. Die Welt scheint erst mal wieder in Ordnung und wir sagen uns, dass es abseits der großen Städte wohl noch länger recht unproblematisch sei. Wir fahren weiter Richtung Süden und merken schnell – da haben wir uns getäuscht. Als wir zum Duschen einen Campingplatz anfahren wollen, werden wir sofort weggeschickt. Zudem sind sämtliche Sehenswürdigkeiten geschlossen und wir werden überall recht eindeutig zurückgewiesen.
Was tun wir jetzt? Unseren Plan, in die Wüste zu fahren, werfen wir erstmal über Bord und entscheiden uns für die vernünftigere Variante. Wir fahren zurück nach Nabeul, da wir wissen, dass es dort einen kleinen Campingplatz mit sehr nettem Besitzer gibt und der Ort recht nah an Tunis ist. Sollte es also spontan doch wieder eine Fähre geben, so haben wir die Möglichkeit, schnell zu reagieren. Auf dem Campingplatz treffen wir auf eine Offroad-Reisegruppe,
die ebenso wie wir alle in Tunesien gestrandet ist. Von ihnen erfahren wir, dass sie vorhaben, ihre Autos beim Zoll einzulagern und einen Flug zurück nach Deutschland zu nehmen. Für uns im ersten Moment undenkbar. Unseren geliebten VW Bus und damit unser Zuhause der letzten zwei Jahre in Tunesien zurücklassen? Niemals! Außerdem haben wir ja auch noch unseren Hund Oskar dabei. Wie läuft das Fliegen mit Hund? Wo soll man in Tunesien denn bitte eine Hundeflugbox herbekommen? Was passiert denn letztendlich mit Willi, unserem Bus?“Über ihre Reise zurück nach Europa berichten Patrick Scholz und Lisa Nuber im nächsten Bericht.
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