Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zu früh gefreut
Von Jens Lindenmüller
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Ja, ja, diese und ähnliche Sprüche kenne ich zur Genüge – und trotzdem habe ich mich vor einigen Tagen an dieser Stelle offensichtlich zu früh gefreut. Ich berichtete von einem tierischen Vandalen, der Nacht für Nacht die Pflanzen in unserem Garten zerrupfte – und selbiges umgehend unterließ, nachdem ich ihm gleich vier Exemplare der sogenannten „Verpiss-dich-Pflanze“vor die Nase gesetzt hatte.
Die Freude über die scheinbar abschreckende Wirkung dieses Naturwunders währte nur wenige Tage. Es schien fast so, als wolle der Vandale mich in Sicherheit wiegen – um mich dann mal so richtig zu provozieren. Genau in jener Nacht, die auf die Veröffentlichung meiner Zeilen über ihn in der SZ folgte, zerpflückte er den letzten Thymian, dessen Blüten noch unversehrt waren – und zwar direkt neben einer dieser „Verpiss-dichPflanzen“. Diese wiederum buddelte der nächtliche Besucher aus – allerdings nur zur Hälfte. Die Botschaft deutete ich wie folgt: „Wenn ich wollte, würde ich das Ding komplett vernichten. Weil’s mich aber kein bisschen stört, lass ich’s einfach stehen und verwüste lieber alles andere.“
Und nun? Soll ich etwa ein Gerät aufstellen, das ungebetene tierische Gäste per Ultraschall vertreibt und damit Labrador Hector, Kater Charly und die Zwergkaninchen aus der direkten Nachbarschaft dauerhaft mitbestrafen? Eine Wasserspritze mit Bewegungsmelder gilt zwar als wirksam und zugleich schonend für das Tier – würde aber leider nachts gegen drei auch den Zeitungsausträger ins Visier nehmen. Also auch keine gute Idee. Vielleicht sollte ich einfach nur noch Kakteen pflanzen. Oder einen Schottergarten anlegen. Oder um tolle Vorschläge der SZ-Leser bitten – per E-Mail an