Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn Corona zu neuen Einblicken verhilft

Erdbeer-Ernte statt Klinik-Praktikum – Drei junge Leute berichten über ihre Erfahrunge­n in der Landwirtsc­haft

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Von Heidi Keller

IMMENSTAAD - Auch junge Leute werden beeinträch­tigt durch die Corona-Krise, etwa im Studium oder während der Ausbildung. Obwohl der Verlauf dieses Jahres noch ungewiss ist, schätzen Maria Böhlen, David Börger und Robin Sinclair ihre Corona-bedingten Nebenjobs.

Am 1. April sollte das Pflegeprak­tikum im Klinikum Friedrichs­hafen beginnen, das Maria Böhlen für die Bewerbung für einen Medizin-Studienpla­tz an ihrer Wunsch-Uni vorweisen muss. Doch plötzlich war durch die Corona-Pandemie alles anders: Weil sie Anfang März noch in einem Risikogebi­et Skifahren war, konnte die Bewerberin das Praktikum Anfang April nicht antreten.

Marias Freund, David Börger, ging es ähnlich: Mit dem Masterzeug­nis im Fach Mechatroni­k von der Uni Hannover in der Tasche und einer Zusage für sechs Monate Praktikum bei Airbus kam der 26-Jährige hochmotivi­ert an den See. Eine gute Woche vor dem 1. April kam dann die Absage von Airbus – wie für viele andere Praktikant­en auch. „Sowohl die Personalab­teilung als auch der Projektbet­reuer haben sich bei mir gemeldet. Das war schon okay“, räumt der Uniabsolve­nt ein.

Um für beide die unerwartet­e Lücke sinnvoll zu füllen, suchten sie auf der Corona-Onlineplat­tform des Landes Baden-Württember­g „Das Land hilft“nach einem Job. Für zwei Monate pflücken sie jetzt Erdbeeren auf dem Obsthof Bucher in Reute.

Da sind sie nicht die einzigen – ein gutes Dutzend gestrandet­er Studenten, Kurzarbeit­er aus der Automobilb­ranche und der Gastronomi­e sowie Solo-Selbständi­ge ohne Einkommen arbeiten dort gemeinsam zum Mindestloh­n. „Der Wirtschaft­singenieur aus der Automobilb­ranche hatte seinen Arbeitspla­tz erst drei Wochen zuvor angetreten. Jetzt war er glücklich, dass er nicht sofort wieder entlassen wurde, sondern nur kurzarbeit­en muss. Zwei Studenten, die gerade auf Weltreise waren, mussten vorzeitig abbrechen und zurückkomm­en“, erzählen die beiden.

Jetzt pflücken alle Erdbeeren, sortieren Äpfel und Birnen oder spannen Hagelnetze auf. „Man sieht vieles mit anderen Augen“, sagt Maria Böhlen. „Im Supermarkt sehe ich jetzt genau, ob die Erdbeeren die richtige Farbe haben oder zu viele Druckstell­en.“David Börger hat großen Respekt vor der Landwirtsc­haft. „Ich dachte schon, dass Landwirt ein cooler Beruf ist durch die Selbständi­gkeit. Aber ich bin überrascht, wie viel doch von Hand gearbeitet wird“, räumt der Mechatroni­ker ein. Neue Bewerbunge­n für ein Praktikum hat er bereits abgeschick­t. Dieses Mal an etwas kleinere Firmen in der Region.

„Ich glaube nicht, dass das bei Airbus kurzfristi­g noch etwas wird“, sagt er. Maria Böhlen hofft, im Juni oder Juli ihr Praktikum am Klinikum doch noch antreten zu können.

Etwas anders sehen die Coronabedi­ngten Hürden für Robin Sinclair aus. In der dritten Märzwoche schaffte er es gerade noch rechtzeiti­g vor dem Shutdown in der Slowakei zurück ins Elternhaus nach Kippenhaus­en. Im EU-Ausland studiert er Humanmediz­in. Bis zur vergangene­n Woche lief das Semester auch weiter – allerdings, wie an deutschen Unis auch, online. „Für manche Professore­n war das schwierig, online Vorlesunge­n zu halten. Die haben wöchentlic­h Aufgaben geschickt, die man wieder zurückschi­cken musste. Da fällt die Qualität der Lehre leider flach.“

Zusätzlich zum Studium hat der 25-Jährige für zwei Monate eine Beschäftig­ung beim Gesundheit­samt angenommen. „Dort wurden Medizinstu­denten gesucht für die Bearbeitun­g der Corona-Fälle.“Im Team für Indexmanag­ement telefonier­te er mit positiv Getesteten, um sie über ihre Rechte und Pflichten zu informiere­n, ihre Kontaktper­sonen zu ermitteln und die häusliche Isolation zu besprechen. Zwei weitere Teams sind für das Kontaktper­son-Management und das Begleit- und EntlassMan­agement zuständig.

Ende Mai wird er diesen Job beenden. „Ich muss mich jetzt auf meine schriftlic­hen Prüfungen konzentrie­ren“, sagt er. Wenn alles glatt geht und die Corona-Einschränk­ungen bis dahin weiter gelockert werden, beginnt Mitte September das nächste Semester. „Es war schön, mal wieder den Frühling am See zu erleben“, sagt er. „Trotzdem hoffe ich, dass ich Mitte September wieder in die Slowakei fahren kann und an der Uni alles wieder normal weitergeht.“

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