Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Das Gutachten über mich ist falsch“
Babybrei-Erpresser zweifelt das Urteil des Sachverständigen an
RAVENSBURG (sap) - Im neuen Prozess um den sogenannten BabybreiErpresser ist am Freitag die stellvertretende Anstaltsleiterin der JVA-Ravensburg vor dem Landgericht Ravensburg gehört worden. Der Angeklagte selbst schildert seine Haftbedingungen als belastend und stellt erneut eine Flut von Anträgen.
Zu gut zwölfeinhalb Jahren Haft hatte das Landgericht Ravensburg den heute 55-Jährigen 2018 verurteilt. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil in Teilen abgeändert hat, wird nun ein neues Strafmaß ermittelt.
Das Gericht hört dazu Tonja von Mahnfeld. Die stellvertretende Leiterin der JVA-Ravensburg beschreibt die Haftbedingungen des Mannes, der im September 2017 fünf vergiftete Gläser Babybrei in verschiedenen Häfler Lebensmittel- und Drogeriemärkten verteilt hat. Mahnfeld zeichnet das Bild eines Häftlings, der eine „gemeinschaftliche Unterbringung ablehnt“und sich vehement gegen eine, aus Sicht der JVA notwendige, Videoüberwachung wehrt, die suizidal motivierte Taten verhindern soll.
Anfangs hätten JVA-Mitarbeiter den Häftling vier Mal pro Stunde per Video überwacht, ergänzt durch persönliche Kontrollen. Dieses engmaschige Vorgehen hätte schrittweise reduziert werden sollen. „Das hat leider nicht funktioniert“, berichtet von Mahnfeld. Denn der Angeklagte habe auf einen Einzelhaftraum ohne Kameraüberwachung gepocht und versucht, dies mithilfe eines Hungerund Trinkstreiks zu erpressen.
Der Gefangene prangert indes die „unmenschlichen Bedingungen“an. Es sei belastend nie zu wissen, wann man beobachtet werde, nur eine Stunde pro Tag Hofzeit und wenig bis gar keine Freizeit zu bekommen. Das will von Mahnfeld so nicht stehen lassen: „Sie haben es abgelehnt in Gemeinschaft untergebracht werden. Dort hätten Sie auch regelmäßig Freizeit in Anspruch nehmen können.“
Anfang Juni 2019 habe der Angeklagte dann, „vermutlich in suizidaler Absicht“, eine Überdosis Psychopharmaka geschluckt, „um zu erzwingen, ohne Kameraüberwachung untergebracht zu werden“, sagt von Mahnfeld. „Dem ist die JVA nicht gefolgt.“Das Kräftemessen sei erneut in einen Durst- und Hungerstreik gegipfelt, der eine Verlegung ins Vollzugskrankenhaus Hohenasperg folgte.
Inzwischen verbüßt der BabybreiErpresser seine Haftstrafe seit März 2020 in einem eigenen Haftraum in der Regelabteilung der JVA Ravensburg, da er nur noch als latent und nicht mehr akut suizidgefährdet gilt. „Seither wurde kein weiterer Handlungsbedarf
an mich herangetragen“, sagt von Mahnfeld. Die Nachfrage des Pflichtverteidigers Gerd Pokrop, ob denn auch positive Entwicklungen seines Mandanten den bei ihr ankämen, verneint sie. Der Angeklagte beantragte unter anderem für den nächsten Verhandlungstermin eine große Anzahl an Zeugen zu laden, – Psychologen, Mithäftlinge und JVABedienstete –, die ihn als freundlichen, höflichen und respektvoll beschreiben könnten. Zudem sei ihm durch den psychiatrischen Sachverständigen Hermann Assfalg ein falsches Gutachten erstellt worden. Er leide keinesfalls an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Während Staatsanwalt Peter Vobiller von weiteren Zeugen keine neuen Erkenntnisse erwartet, verspricht sich Verteidiger Pokrop möglicherweise ein differenzierteres Bild von dem Angeklagten: „Wir haben von der Anstaltsleiterin wenig Positives erfahren können. Vielleicht helfen uns Eindrücke der Gespräche weiter, die er mit seinem Psychologen geführt hat.“Das könne sich ja durchaus auf das Strafmaß auswirken.
Die wird am Mittwoch, 9. Juni, um 9.30 Uhr fortgesetzt.