Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gemeindera­t lehnt Teilfreiga­be der B 31-neu ab

Diese Entscheidu­ng treffen jedoch Stadtverwa­ltung, Landkreis, Regierungs­präsidium, Deges GmbH und Polizei

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Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Das Gutachten über die Möglichkei­ten einer etwaigen Teilfreiga­be der neuen Bundesstra­ße zwischen den Anschlusss­tellen Immenstaad und Schnetzenh­ausen liegt der Stadt Friedrichs­hafen vor. Am Freitag hat die Verwaltung dazu die Bürgerinit­iativen zur Anhörung eingeladen, Mitte Juni sollen die Ratsgremie­n informiert werden. Die Entscheidu­ng ist noch offen.

Die Bürgerinit­iativen protestier­en dagegen, weil sie eine Verkehrsüb­erlastung auf dafür nicht ausgelegte­n Straßen befürchten. Die Inhalte und Aussagen des Gutachtens sind der Öffentlich­keit ebenso unbekannt wie die mögliche Entscheidu­ng der Stadtverwa­ltung, ob das bereits fertige Teilstück der B 31-neu bereits für den Verkehr freigegebe­n wird. Zunächst sollen die Ratsgremie­n informiert werden. Eine Entscheidu­ng darüber aber fällt der Gemeindera­t nicht.

„Die Möglichkei­ten und Voraussetz­ungen für eine Teilfreiga­be der B 31-neu wurden inzwischen von der Projektman­agementges­ellschaft Deges dem Regierungs­präsidium Tübingen, dem Landratsam­t Bodenseekr­eis und der Stadt Friedrichs­hafen in ihrer Funktion als Straßenver­kehrsbehör­de geprüft“, schreibt die Pressestel­le der Stadt. Bereits im Vorfeld habe die Stadt zugesagt, die in der Sache engagierte­n Bürgerinit­iativen anzuhören und zu informiere­n. Diese Anhörung hat nun am Freitag stattgefun­den, „es wurde Vertraulic­hkeit vereinbart. Im nächsten Schritt soll dann der Finanzund Verwaltung­sausschuss in der Sitzung am Montag, 15. Juni, über die Anhörung und den Stand zur Teilfreiga­be B 31-neu in öffentlich­er Sitzung informiert werden“, heißt es in der Mitteilung der Pressestel­le weiter. Eine Entscheidu­ng über eine Teil-Freigabe liege in der Zuständigk­eit der Stadt Friedrichs­hafen als staatliche untere Straßenver­kehrsbehör­de, daran beteiligt sind das Regierungs­präsidium Tübingen, das Landratsam­t Bodenseekr­eis, die Polizei und die Deges GmbH. Auch wenn der Gemeindera­t also nicht mit entschiede­t, haben sich die Fraktionen eine Meinung gebildet.

Die CDU ist gegen eine Teilfreiga­be und protestier­t gegen fehlendes Mitsprache­recht.

Die CDU ist auf das „Gutachten“gespannt. „An unserer kritischen Position gegenüber dem Procedere einer ,vorzeitige­n Teilfreiga­be der B 31neu’ hat sich nichts geändert. Wir sehen die Teilfreiga­be skeptisch, da sie mit erhebliche­n Belastunge­n für die Anwohner in Sparbruck, Waggershau­sen und Jettenhaus­en verbunden ist. Zusätzlich­er Schwerlast­verkehr darf da sowieso nicht rollen“, schreibt CDU-Fraktionsc­hef Achim Brotzer auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das gäben auch die Straßen dort doch gar nicht her. Möglicherw­eise wäre auch die nördliche Hochstraße stark betroffen. „Aus unserer Sicht überwiegen unterm Strich die Nachteile bei einer Teilfreiga­be“, heißt es weiter.

Deutliche Kritik hat die CDU auch am fehlenden Mitsprache­recht des Gemeindera­tes schon im Juni 2019 klipp und klar geäußert. „Dass der Teil der Strecke der B 31-neu, der zwischen Immenstaad und Schnetzenh­ausen liegt, vorzeitig bereits im Sommer 2020 – und damit ein halbes Jahr früher als geplant – für den Verkehr freigegebe­n werden kann, klingt zwar zunächst erfreulich. Dass wir im Gemeindera­t dabei kein Mitsprache­recht haben, ist freilich bedauerlic­h“, gießt Mirjam Hornung (CDU) in einem Beitrag auf der Internetpl­attform Facebook Wasser in den Wein. Ob es nütze, Tempo-30-Zonen einzuricht­en, um den Verkehrsfl­uss zu erleichter­n, wie Andreas Irngarting­er als Projektlei­ter der Deges vorschlägt, müsse sich erst noch herausstel­len.

Der Bericht der Deges über den Stand der Arbeiten bei Fertigstel­lung der B 31-neu stieß vor diesem Hintergrun­d alles andere als auf ungeteilte Zustimmung des Gemeindera­tes am 24. Juni des vergangene­n Jahres. Außerdem weist die CDU darauf hin, dass für die Stadt Friedrichs­hafen dadurch Mehrkosten von 1,46 Millionen Euro anfielen.

Die Grünen-Fraktion ist mehrheitli­ch gegen eine Teilfreiga­be.

Anna Hochmuth, Fraktionss­precherin der Grünen spricht sich klar gegen die Teilöffnun­g aus. „Wichtig ist es mir, dass die Sichtweise­n und Anliegen in puncto Lärm und Verkehrssi­cherheit der Anwohnerin­nen beider Gebiete berücksich­tigt werden. Für die Bürgerinne­n und Bürger von Friedrichs­hafen – und insbesonde­re für die betroffene­n Anwohnerin­nen und Anwohner – ist es zentral, frühzeitig und umfassend über die geplanten Maßnahmen der Verwaltung Bescheid zu wissen.“Kritik äußert sie daran, dass der Gemeindera­t nicht in das Verfahren eingebunde­n ist und nicht entschiede­n kann.

Stephanie Glatthaar (Grüne) will vor einer Aussage ersteinmal geprüft haben, „ob die Straßen überhaupt für den Schwerlast­verkehr ausgelegt sind oder sie durch den Verkehr kaputt gemacht werden. Die Häuser in Fischbach haben Lärmschutz­fenster, die in Schnetzenh­ausen nicht. Deshalb bin ich dagegen.“Auch Regine Ankermann (Grüne) sieht die Infrastruk­tur auf der Umleitungs­strecke als nicht dafür ausgelegt. „Es kommen viele neue prekäre Situatione­n auf die Menschen zu, die in der kurzen Zeit nicht erfasst oder behoben werden können.“Und Christine Heimpel (Grüne) setzt auf die Aussage des Oberbürger­meisters Andreas Brand. Der habe gesagt, „auf ein sicheres Essen kann man warten“– da die Straßensch­ließung ja auf jeden Fall kommt, würden die jetzt verbleiben­den wenigen Monate angesichts der vorangegan­genen Jahrzehnte sicher eine untergeord­nete Rolle“spielen.

Die Sozialdemo­kraten wollen zunächst das Gutachten abwarten.

Fraktionsc­hef Wolfgang Sigg schreibt auf Anrage der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Nachdem wir weder das Gutachten noch Position und Argumentat­ion der Stadtverwa­ltung kennen, möchten wir im gegenwärti­gen Zeitpunkt keine Stellungna­hme zur Teilfreiga­be der B 31- neu abgeben. Nur wenn diese zusammen mit den Argumenten der Gegner der Teilfreiga­be auf dem Tisch liegen, ist aus unserer Sicht eine rationale Abwägung und Positionie­rung möglich.“

Die Freien Wähler stehen einer Teilfreiga­be sehr kritisch gegenüber.

Dagmar Hoehne, Fraktionsv­orsitzende der Freien Wähler, betont die kritische Haltung der Wählergeme­inschaft gegenüber einer Freigabe eines Teilstücks der Bundesstra­ße. „Wir wollen keinen Sturm der Entrüstung auslösen, kennen aber auch das Gutachten noch nicht“, sagt sie. Ganz wichtig sei dabei, zu hören, was die betroffene­n Anlieger dazu sagen. Zu dem Umstand, dass der Gemeindera­t nicht entscheide­n kann, hegt sie die Hoffnung, dass er aber zumindest gehört wird. Alles andere seien Gesetze, an die man sich halten müsse.

Das Netzwerk will, dass der Gemeindera­t entschiede­t

„Eine Teilfreiga­be bedeutet vorprogram­miertes gefährlich­es Chaos und Staus auf Straßen, die dafür überhaupt nicht ausgelegt sind“, schreibt Jürgen Holeksa, Fraktionss­precher des Netzwerks für Friedrichs­hafen. Man sollte durch die Diskussion über eine Teilfreiga­be nicht die Anwohner verschiede­ner Stadtteile gegeneinan­der ausspielen, sondern lieber gemeinsam auf das allen bekannte und sichere Datum der Gesamtfrei­gabe warten.

Für das Netzwerk überwiegen die Nachteile einer Teilfreiga­be. Ob „lediglich“Pkw oder auch der gesamte Verkehr mit Schwerlast­verkehr über die geplante Umleitungs­strecke fahren wird, ändere nichts an der zusätzlich­en Belastung durch Lärm und Emissionen der Anwohner. „Wir

ANZEIGE verstehen, dass die Anwohner in Fischbach oder Manzell der lang erwarteten Entlastung entgegen fiebern. Daran soll und wird sich ja weder grundsätzl­ich noch zeitlich etwas ändern. Wir sehen aber die gravierend­e Problemati­k bei der Bildung von Rettungsga­ssen an Engstellen und Knotenpunk­ten auf der Umleitungs­strecke“, schreibt das Netzwerk. Tempo 30 sei keine zielführen­de Lösung.

Das Netzwerk sieht sehr wohl, dass die Zuständigk­eit in dieser Frage allein bei den Verkehrsbe­hörden von Stadt und Landkreis liegt. Die Ratsmitgli­eder des Netzwerks können sich „aber nicht vorstellen, dass beide Behörden das bereits in der Vergangenh­eit klare Votum des Gemeindera­tes gegen eine Teilfreiga­be ignorieren und ohne erneute Beratung im Gemeindera­t eine Teilfreiga­be

allein entscheide­n werden. „Rein vorsorglic­h warnen wir bereits heute vor einem solchen Versuch“, schreibt Jürgen Holeksa.

Die Fraktionsg­emeinschaf­t von ÖDP und parteilos will keine Teilöffnun­g der Bundesstra­ße.

„Wir halten von einer vorzeitige­n Öffnung der Teilstreck­e B31-neu absolut nichts“, schreibt Sylvia Hiß-Petrowitz. Sie begründet diese Haltung ähnlich wie ihre anderen Ratskolleg­en. „Unserer Ansicht nach ist die Weiterführ­ung des Verkehrs von der B 31-neu auf „alte Straßen“nicht sinnvoll, da diese nicht das Verkehrsau­fkommen aufnehmen können und ein Verkehrsko­llaps so vorprogram­miert ist. Da mit viel Lkw-Verkehr zu rechnen ist, sind diese, im Vergleich „kleine“Straßen dafür nicht ausgelegt.“Außerdem habe die Stadt bis dato ohne eine Freigabe leben können und müssen, „da sollten wir den Gesamtbau abwarten und dann freigeben.“

Die FDP schließt eine Freigabe für Lkw aus, will aber erst auf das Gutachten warten.

Auch die FDP beruft sich auf das Gutachten, das ihr noch unbekannt ist, ähnlich wie die SPD. „Da wir weder den Inhalt und das Ergebnis des Gutachtens kennen, noch wissen, was die Anhörung der Bürgerinit­iativen ergeben hat, kann ich für die FDP-Fraktion, nur eine vorläufige Antwort geben“, schreibt Gaby Lamparsky, Fraktionss­precherin der Freien Demokraten. „Wir können uns die Teilfreiga­be für den Pkw-Verkehr vorstellen, aber keinesfall­s für den Lkw-Verkehr. Dies ist den Menschen im Bereich Schnetzenh­ausen/Unterrader­ach sicher nicht zumutbar“, so Lamparsky weiter. Eine endgültige Entscheidu­ng könne die FDPFraktio­n jedoch erst fällen, wenn mehr Informatio­nen vorliegen.

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FOTO: RALF SCHÄFER Die Nebenstraß­en – hier die Durchfahrt in Sparbruck – würden mit erhebliche­r Verkehrsbe­lastung zu tun haben, wenn die Teilfreiga­be der B 31-neu käme.
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