Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ohne Bulli geht es in die Heimat
Über Rom geht es für Patrick Scholz und Lisa Nuber von Tunesien zurück nach Deutschland – Ein Reisebericht
SALEM (sz) - Der Salemer Fotograf Patrick Scholz und seine Freundin Lisa Nuber fahren gemeinsam mit Hund Oskar im VW-Bus durch Europa. Von unterwegs unterstützen sie auf verschiedene Weise soziale Projekte. In unregelmäßigen Abständen berichten sie in der „Schwäbischen Zeitung“von ihren Erlebnissen. Wie es den Reisenden nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie, erging, beschreiben sie in diesem Bericht.
Wir sitzen immer noch in Tunesien wo sich die Situation von Tag zu Tag mehr zuspitzt. Nachdem wir in den letzten Tagen bereits etliche Entscheidungen treffen mussten und sich die Situation fast stündlich aktualisiert, treffen wir die nächste und schließen uns einer Offroad-Reisegruppe mit der sehr bürokratischen Zollabwicklung unseres geliebten VW-Busses an. Wir denken, dass es wohl am vernünftigsten ist, einen der Evakuierungsflüge in den nächsten Tagen, die die deutsche Botschaft organisiert, in Anspruch zu nehmen. Wenn wir hierblieben, dann verpassen wir vielleicht die vorerst einzige Chance zurückzukommen – und wer weiß, wie ungemütlich die Situation hier in Tunesien aufgrund der Pandemie noch wird. Dazu kam eben die Nachricht, dass der tunesische Luftraum ab dem Folgetag auch für Evakuierungsflüge komplett auf unbestimmte Zeit geschlossen wird.
Wir machen alle Papiere so gut es geht fertig und es kommt sogar ein Tierarzt zu uns, um unseren Hund Oskar auf Flugtauglichkeit zu untersuchen und uns eine Flugbox zu bringen. Ein wichtiger Schritt fehlt aber noch für die Zollabwicklung und als wir am Abend die Nachricht bekommen, dass die Evakuierungsflüge am nächsten Tag stattfinden, sind wir erstmal ziemlich ernüchtert. Ohne die exakte Abwicklung darf Patrick als Fahrzeughalter das Land nämlich nicht verlassen. Wir setzen alle Hebel in Bewegung und freuen uns riesig über die wahnsinnige Hilfsbereitschaft der tunesischen Zöllner, die am heiligen Freitag, dem muslimischen Ruhetag, alle benötigten Papiere zum Zollamt nach Tunis faxen.
Wir können fliegen – denken wir zumindest. So begeben wir uns am nächsten Tag zum Flughafen Tunis, wo wir mit Hund Oskar zwischen Tausenden panischen Touristen, am
Schalter vor der deutschen Botschaft stehen. Jeder hat nur ein Ziel: nach Hause kommen. Und dann die ernüchternde Nachricht: Wir dürfen mit Hund nicht fliegen. Die Airline, mit der die Evakuierungsflüge abgewickelt werden, transportiert nämlich keine Hunde. Oskar in Tunesien zurücklassen, kommt für uns natürlich in keiner Sekunde in Frage. Und so stellen wir uns schon mal darauf ein, wieder ein Taxi zu unserem Bus zurück zu nehmen und wohl die nächsten Monate in Tunesien ausharren zu müssen. Während wir nun recht aufgelöst am Flughafen sitzen, fällt uns auf, dass neben den Evakuierungsflügen noch ein paar wenige kommerzielle Flüge nach Europa angeboten werden. So auch nach Paris und Rom.
Wir stellen uns in die endlos scheinenden Warteschlangen und bekommen die Auskunft, dass beide Airlines unseren Hund mitnehmen würden, wir allerdings auf der Buchungsliste als allerletztes berücksichtigt werden würden. Franzosen und Italiener haben bei den Flügen nach Paris und Rom natürlich Vorrang, da für die Deutschen ja Evakuierungsflüge organisiert wurden. So verstreichen Stunden des Hoffens und Bangens, als wir erfahren, dass der Flug nach Paris ausgebucht ist. Ernüchterung. Unsere letzte Chance ist nun noch Rom. Wohl auch nicht das Beste, ins direkte Epizentrum der Pandemie zu fliegen, aber unsere einzige Chance nach Europa zu kommen. Und von Italien aus kommen wir schon irgendwie und irgendwann zurück nach Deutschland – so unsere Gedanken. Unsere Nerven sind langsam so ziemlich am Ende.
Als der letzte Italiener sein Ticket gebucht hat, schauen wir hoffnungsvoll zum Mitarbeiter an den Schalter… und der zeigt uns einen Daumen nach oben! Wir sind unglaublich froh. So froh, das kann man sich wahrscheinlich nicht vorstellen. Wir geben Oskar beim SperrgepäckSchalter ab, und rasen durch sämtliche Kontrollen in den Flieger. Zehn Minuten später sind wir in der Luft und können es gar nicht so richtig realisieren. Angekommen in Rom, haben wir keine Ahnung, was uns nun erwarten wird. Quarantäne? Wochen, in denen wir in Rom festsitzen? Egal. Wir haben es nach Europa geschafft.
Auf den Anzeigetafeln sehen wir, dass es am nächsten Tag einen Flug nach München gibt und erfahren, dass es noch freie Plätze gibt und auch Oskar mitfliegen kann. Sofort buchen wir ein Ticket und sind einfach unfassbar erleichtert, als wir am nächsten Tag nach München fliegen. Angekommen am Flughafen in München wissen wir überhaupt nicht, was uns nun in Deutschland erwarten wird. Wo können wir wohnen?
Unser Zuhause war die letzten zwei Jahre unser VW-Bus. Ein Haus oder Wohnung haben wir nicht mehr. Und in der aktuellen Situation bei Freunden wohnen? Wohl eher schlecht.
Und dann kommt uns die perfekte Idee: Wir ziehen in den Wohnwagen von Lisas Mama, der an einem wunderschönen Platz in der Natur steht. Für uns wirklich die ideale Lösung. Hier erholen wir uns von den doch sehr strapazierenden letzten Tagen und begeben uns erst einmal in freiwillige 14-tägige Quarantäne, da das Gedränge am Flughafen doch eher fragwürdig vorkam. Im Wohnwagen wohnen wir nun schon seit einigen Wochen und fühlen uns pudelwohl. Wir beide sind freiberufliche Fotografen und haben bislang auf unserer Reise für verschiedene Firmen kreative Produktfotos in der Natur umgesetzt. Eine Arbeit, die wir glücklicherweise auch hier in Deutschland ohne Probleme weitermachen können. Wir haben großes Glück und werden wenige Tage nach unserer Rückkehr nach Deutschland für mehrere große Fotoaufträge gebucht. Wie es mit unserer Reise weitergehen wird, steht noch in den Sternen. Sobald es aber wieder Fähren zwischen Europa und Tunesien gibt, werden wir unseren geliebten Willi natürlich abholen.
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