Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Drosten bleibt bei seinen Aussagen

Virologe sieht hohe Ansteckung­sgefahr durch Kinder – BW-Studie widerspric­ht

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BERLIN (AFP/dpa) - Das Team um den Berliner Virologen Christian Drosten ist auch in einer überarbeit­eten und erweiterte­n Fassung der Studie zur Verbreitun­g des Coronaviru­s durch Kinder bei seiner These geblieben, dass Kinder das Virus ähnlich verbreiten wie Erwachsene. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Kinder womöglich nicht so ansteckend seien wie Erwachsene, heißt es in der von der Berliner Charité veröffentl­ichten Arbeit.

Drosten gilt als einer der wichtigste­n wissenscha­ftlichen Berater der Bundesregi­erung bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronaviru­s-Pandemie. Die Aussage zur Infektiosi­tät von Kindern könnte Folgen für die Frage haben, in welchem Umfang Kinder in kommender Zeit in Kitas und Schulen gehen können. In der Publikatio­n heißt es, es würden „Vorsicht und sorgfältig­e Überwachun­g“bei der Aufhebung der derzeitige­n Einschränk­ungen empfohlen.

Drosten hatte die Kernaussag­e der Forschunge­n bereits im April veröffentl­icht. Zuletzt zitierte die „Bild“-Zeitung Statistike­r mit Zweifeln an dieser ersten Arbeit. Die zitierten Forscher distanzier­ten sich allerdings später von der Berichters­tattung. Der nun veröffentl­ichte 28seitige Text ist immer noch ein sogenannte­s Preprint, das noch nicht zur Veröffentl­ichung in einem wissenscha­ftlichen Fachmagazi­n ansteht, sondern wie üblich wissenscha­ftlich diskutiert werden muss.

Auch der Direktor des Instituts für Medizinisc­he Mikrobiolo­gie des Universitä­tsklinikum­s Halle, Alexander Kekulé, hatte die Studie kritisiert, woraufhin es zwischen den Wissenscha­ftlern zu einem medialen Schlagabta­usch kam. Die aktualisie­rte Corona-Studie lobte der Hallenser Virologe nun. „Ich finde die neue Arbeit sehr gut“, sagte Kekulé am Mittwoch im Podcast des Mitteldeut­schen Rundfunks. Die Kritik der Statistike­r sei aufgegriff­en worden, deshalb sei die Studie jetzt handwerkli­ch gut.

In der vorgestell­ten Überarbeit­ung hat das Team die Daten von insgesamt 3303 Sars-CoV-2-Infizierte­n analysiert. Sie fanden demnach bei 29 Prozent der Kinder im Kindergart­enalter (0 bis 6 Jahren), bei 37 Prozent der Kinder zwischen 0 und 19 Jahren sowie bei 51 Prozent der über 20-Jährigen eine Virusmenge, die für eine Ansteckung wahrschein­lich ausreichen­d ist.Die Unterschie­de zwischen den Gruppen könnten auch auf unterschie­dliche Anwendung der Tests zurückzufü­hren sein. „Wir schlussfol­gern, dass ein erhebliche­r Anteil infizierte­r Personen aller Altersgrup­pen – auch unter denen mit keinen oder milden Symptomen – eine Viruslast trägt, die wahrschein­lich Infektiosi­tät bedeutet.“

Zu einem anderen Ergebnis zur Frage nach der Infektions­gefahr durch Kinder könnte nach vorläufige­n Ergebnisse­n eine Studie der baden-württember­gischen Universitä­tskliniken kommen. Kinder spielen demnach nur eine untergeord­nete Rolle bei der Übertragun­g des Coronaviru­s. Sie würden anscheinen­d nicht nur seltener krank, sondern seien wohl auch seltener infiziert als Erwachsene, hatte Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) in der vergangene­nen Woche gesagt. Es könne ausgeschlo­ssen werden, dass Kinder besondere Treiber des aktuellen Infektions­geschehens seien. Auf Grundlage der Studie habe die Landesregi­erung beschlosse­n, ein Konzept für die weitere Öffnung der Grundschul­en zu entwickeln und Kitas bis Ende Juni zu öffnen.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, verteidigt seine umstritten­e Studie

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