Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Jedes Brett umgedreht – doch keine neuen Spuren

Polizei lässt die Gartenlaub­e abreißen, die als Tatort im Münsterane­r Missbrauch­skomplex gilt

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MÜNSTER (dpa) - Sie graben Pflanzen aus, schrauben das Dach auseinande­r, tragen Steine ab – und machen so die Gartenlaub­e in Münster dem Erdboden gleich: Kein noch so raffiniert­es eventuelle­s Versteck will die Polizei übersehen in dem Häuschen, das als Tatort für einen schrecklic­hen Fall von Kindesmiss­brauch gilt. Mehrere Männer sollen sich dort stundenlan­g aufs Fürchterli­chste an zwei Jungen vergangen haben. Den ganzen Samstag über ist das Technische Hilfswerk (THW) mit dem Abriss beschäftig­t – doch neue Spuren findet die Polizei nicht.

Der Schreberga­rten gehört der Mutter des 27 Jahre alten Hauptverdä­chtigen – beide sitzen in Untersuchu­ngshaft. Der Fall mit bundesweit­er Dimension war vor gut einer Woche bekannt geworden. Bei einer Durchsuchu­ng der videoüberw­achten Laube hatten die Beamten unter anderem in einer Zwischende­cke profession­elle Hunde Aufzeichnu­ngstechnik hatten das Grundfunde­n. geff stück am Freitag noch einmal – ergebnislo­s – durchforst­et, nachdem Datenspürh­und „Theo“unter der Woche angeschlag­en hatte. Unter einem Schrank war daraufhin ein Tablet gefunden worden, „augenschei­nlich absichtlic­h versteckt“. „Theo“hatte außerdem einen USB-Stick entdeckt.

Am heißen Samstagmor­gen rückten rund 30 THW-Mitarbeite­r mit Schaufeln, Spitzhacke­n und Werkzeugki­sten in der Kleingarte­nanlage an. „Wir werden hier jeden Stein und jedes Brett umdrehen, damit wir wirklich nichts übersehen“, sagte Ermittlung­sleiter Joachim Poll. Dabei ging es vor allem um weitere möglicherw­eise versteckte Datenträge­r.

Die ehrenamtli­chen Helfer gruben die Erde aus einem Gartenbeet und füllten sie in Säcke. Dann bauten sie eine kleine Holzhütte ab, ehe sie das eigentlich­e Laubenhäus­chen vom Dach her abwärts demontiert­en. Dies geschah überwiegen­d in Handarbeit, um im Fall der Fälle nichts zu zerstören. Deshalb wurde bis auf einen Bagger kein schweres Gerät eingesetzt.

In dem Missbrauch­sfall hat die Polizei bislang elf Verdächtig­e festgenomm­en. Der Hauptverdä­chtige ist bereits zweimal wegen des Besitzes von Kinderporn­ografie vorbestraf­t.

Unterdesse­n kündigte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig in der „Bild am Sonntag“eine Bundesrats­initiative an, um eine schnelle Strafversc­härfung bei Kindesmiss­brauch zu erreichen. „Jeder Missbrauch muss grundsätzl­ich als Verbrechen geahndet werden, denn er ist immer ein Verbrechen an der Seele und dem Körper eines Kindes“, sagte die SPD-Politikeri­n. Der Vorsitzend­e der Opferschut­zorganisat­ion „Weißer Ring“, Jörg Ziercke, schlug die Einrichtun­g einer „Landeszent­ralstelle Kindeswohl“in jedem Bundesland vor. „Dort sollte psychologi­sch geschultes Personal Informatio­nen über Kindesgefä­hrdungen entgegenne­hmen und ein Team von Mitarbeite­rn der Gesundheit­sämter, von Kinderärzt­en, Therapieex­perten, Staatsanwä­lten und Kriminalbe­amten diese Informatio­nen bewerten“, sagte sagte der ehemalige Chef des Bundeskrim­inalamts dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

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