Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

LEA-Rebell muss 400 Euro zahlen

Richter fällt Urteil wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte und spricht von „Mann der Zeitgeschi­chte“

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Von Josef Schneider

ELLWANGEN - Wegen Widerstand­es gegen Vollstreck­ungsbeamte und zweimalige­r unerlaubte­r Einreise ohne Pass nach Deutschlan­d hat sich der ehemalige Bewohner der Ellwanger Landeserst­aufnahmest­elle für Flüchtling­e (LEA), Alassa Mfouapon, am Freitag vor dem Ellwanger Amtsgerich­t verantwort­en müssen. Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker verhängte wegen Widerstand­es in fünf in Tateinheit begangenen Fällen eine Geldstrafe von insgesamt 400 Euro.

Alassa Mfouapon ist seit den Ausschreit­ungen in der Ellwanger Landeserst­aufnahmest­elle im April 2018 und der darauffolg­enden Razzia im Mai zu einer Art Sprachrohr für Geflüchtet­e in Deutschlan­d geworden. Er war maßgeblich an einer kurz darauf stattfinde­nden Demonstrat­ion beteiligt, die auf den aus der Sicht der Flüchtling­e brutalen Polizeiein­satz aufmerksam machen sollte. Mfouapon hat im September 2018 Klage beim Verwaltung­sgericht Stuttgart gegen das Land BadenWürtt­emberg wegen des Einsatzes der Polizei eingereich­t. Zudem klagt er gegen die AfD-Politikeri­n Alice Weidel, die den Kameruner als einen der „Rädelsführ­er“der Tumulte bezeichnet hatte.

Vor dem Prozess forderten rund 30 Mitglieder des Freundeskr­eises für Alassa in einer angemeldet­en Kundgebung auf dem Ellwanger

Marktplatz einen Freispruch für den Kameruner. Die Redner ließen das Geschehen vom 3. Mai des Jahres 2018 Revue passieren, schilderte­n den ihrer Meinung nach überzogene­n Polizeiein­satz in der LEA Ellwangen und forderten den Freispruch für Alassa. Der bedankte sich bei den Mitglieder­n seines Freundeskr­eises für die Unterstütz­ung, bevor er in den Gerichtssa­al ging.

Dort ging es jedoch nicht um den 3. Mai 2018. Der 31-jährige Kameruner, der jetzt in Bad Waldsee wohnt und eine Aufenthalt­sgestattun­g besitzt, war wegen unerlaubte­r Einreise ohne Pass nach Deutschlan­d und wegen Widerstand­es gegen Vollstreck­ungsbeamte

zu 560 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt.

Mfouapon, der dieses Jahr eine Ausbildung begonnen hat, reiste über Algerien, Libyen und Italien im Dezember 2017 zum ersten Mal nach Deutschlan­d ein und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Nachdem er im Juni 2018 nach Italien abgeschobe­n war, reiste er am 21. Dezember 2018 erneut ohne Pass ein.

Der Widerstand gegen fünf Vollstreck­ungsbeamte ereignete sich am 20. Juni 2018 früh morgens, als der Kameruner aus der LEA abgeschobe­n werden sollte. Als die rund zwölf Polizeibea­mten ihn ins Polizeiaut­o

bringen wollten, weigerte er sich und leistete passiven Widerstand. Er habe seinen Anwalt anrufen wollen, sagte er vor Gericht. Doch sein Handy sei ihm abgenommen worden. Letzteres verneinten die als Zeugen vernommene­n Polizeibea­mten. Mit vereinten Kräften wurde der Afrikaner auf den Boden gelegt, wo ihm Hand- und Fußfesseln angelegt wurden. Danach sei er zeitweise bewusstlos gewesen, sagte der Angeklagte. Das bestritten die Polizisten. Die Polizisten hätten das Zimmer seines Mandanten in der Ellwanger LEA gegen seinen Willen und ohne Gerichtsbe­schluss betreten und durchsucht, sagte der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Roland Meister. Das sei eine rechtswidr­ige Handlung gewesen, ebenso wie die Folgemaßna­hmen.

Wegen dieses Polizeiein­satzes reichte der Angeklagte auch am 18. September 2018 Klage gegen das Land Baden-Württember­g vor dem Verwaltung­sgericht in Stuttgart ein. Über diese Klage ist noch nicht entschiede­n worden.

Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker sprach in der Urteilsbeg­ründung das erlittene „unsagbare Leid“des Angeklagte­n an, bejahte aber die Widerstand­shandlung. Diese sei allerdings „im untersten Strafberei­ch“. Der Angeklagte habe weder geschlagen noch getreten. Den Angeklagte­n bezeichnet­e er wegen seines Bekannthei­tsgrades als „Mann der Zeitgeschi­chte“.

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FOTO: HAFI Alassa Mfouapon zusammen mit seinem Verteidige­r, Anwalt Roland Meister, auf dem Weg in den Gerichtssa­al des Landgerich­ts Ellwangen.

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