Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wirecard-Chef tritt zurück
Bei dem in einen Bilanzskandal verwickelten Finanzdienstleister geht es um die Existenz
MAKATI/MÜNCHEN (dpa) - Nach dem Bilanzskandal beim Finanzdienstleister Wirecard hat der umstrittene Vorstandschef Markus Braun seinen Posten geräumt. Der österreichische Manager sei im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung zurückgetreten, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Interims-Chef wird der USManager James Freis, der erst am Vorabend in den Vorstand berufen worden war.
Entscheidend für die Zukunft des Unternehmens wird jedoch sein, ob die Banken Wirecard den Geldhahn zudrehen und von der Möglichkeit Gebrauch machen, Kredite von zwei Milliarden Euro zu kündigen. Wirecard machte den Anlegern Hoffnung: Das Unternehmen befinde sich in „konstruktiven Gesprächen“mit seinen kreditgebenden Banken. Die Banken wären laut Wirecard zur Kündigung berechtigt, wenn das Unternehmen keinen testierten Jahresabschluss vorlegt.
Nach dem Vortages-Kurseinbruch um fast 62 Prozent nach abermaliger Verschiebung des Jahresabschlusses für 2019 stürzten die Papiere des Zahlungsabwicklers erneut ab, zeitweise um mehr als 50 Prozent auf unter 20 Euro. Das Kursminus belief sich zum Handelsschluss auf mehr als 35 Prozent. Seit Mittwochabend liegt der Wertverlust der Papiere insgesamt bei etwa neun Milliarden Euro.
Die zur Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft DWS will gegen Wirecard und dessen bisherigen
Chef vor Gericht ziehen. Die DWS hatte mit ihren Fonds noch vor wenigen Monaten zu den Großaktionären von Wirecard gezählt, ihre Beteiligungen zuletzt aber heruntergefahren.
Der zurückgetretene Vorstandsvorsitzende schrieb in einer persönlichen Erklärung an Mitarbeiter und Aktionäre, er sei aus eigenem Antrieb zurückgetreten. Wirecard habe ein exzellentes Geschäftsmodell, herausragende Technologie und ausreichende Ressourcen für eine große Zukunft. „Ich will diese Zukunft nicht belasten“, erklärte er in einer auf Englisch verfassten Erklärung. „Mit meiner Entscheidung respektiere ich die Tatsache, dass die Verantwortung für alle geschäftlichen Transaktionen beim Vorstandschef liegt.“
Im Mittelpunkt des Bilanzskandals stehen zwei asiatische Banken und ein Treuhänder, der seit Ende vergangenen Jahres für Wirecard die Konten verwaltet. Auf den Konten waren angeblich 1,9 Milliarden Euro verbucht. Die für Wirecard tätigen Bilanzprüfer bezweifeln jedoch mittlerweile, dass diese 1,9 Milliarden Euro tatsächlich existieren. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young) hat daher den Jahresabschluss nicht testiert. EY vermutet Täuschungsabsicht.