Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Virusspure­n schon 2019 in Italiens Abwasser

Mittlerwei­le ermögliche­n Proben Rückschlüs­se auf Zahl und Aufenthalt­sort Infizierte­r

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ROM/ASCHKELON (AFP/dpa) - Hätte Italien früher sein Abwasser auf das neuartige Coronaviru­s untersucht, hätte es die tödliche Pandemie vielleicht eindämmen können. Nachdem bisher davon ausgegange­n worden ist, dass die ersten Infektione­n erst Mitte Februar auftraten, zeigt eine Studie des nationalen Gesundheit­sinstituts ISS auf Grundlage von Abwasserpr­oben nun, dass Sars-CoV-2 bereits im Dezember im Land virulent gewesen ist. In Abwässern der norditalie­nischen Großstädte Mailand und Turin vom Dezember sowie aus Bologna vom Januar sei das Virus nachgewies­en worden, hat ISS jetzt mitgeteilt. Offiziell festgestel­lt worden war der Coronaviru­s-Ausbruch in Italien erst Mitte Februar.

Für die ISS-Studie wurden 40 Abwasserpr­oben aus Kläranlage­n untersucht, die zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 genommen wurden. Zudem wurden 24 Kontrollpr­oben von September 2018 bis Juni 2019 ausgewerte­t, in denen das Virus sicher ausgeschlo­ssen werden konnte. Die Ergebnisse

wurden von zwei unterschie­dlichen Laboren mit unterschie­dlichen Methoden bestätigt.

Als Ausgangspu­nkt der CoronaPand­emie galt bislang die chinesisch­e Millionenm­etropole Wuhan. Dort wurde das Virus im Dezember 2019 erstmals bei Menschen festgestel­lt. Einige Wochen später entwickelt­e sich Italien – und dort insbesonde­re der Norden – zum Epizentrum der Pandemie in Europa. Rund 34 500 Infizierte starben in dem Land, inzwischen hat sich die Lage beruhigt.

Normalerwe­ise wird eine CoronaInfe­ktion mit einem Rachenabst­rich festgestel­lt. Die israelisch­e Firma Kando weist Infektions­herde hingegen im Abwasser nach. Die Technologi­e könne als Frühwarnsy­stem für Krankheits­ausbrüche dienen, sagt Unternehme­nschef Ari Goldfarb nun.

Bislang war Kando vor allem Industriea­bwässern in der Kanalisati­on der Küstenstad­t Aschkelon auf der Spur. „Als dann die Covid-Pandemie kam“, so der Firmenchef, „war uns klar, dass wir unser System und unser

Wissen auch hierfür nutzen können.“Ob es tatsächlic­h funktionie­rt, Infektions­herde über das Abwasser zu lokalisier­en, testete Kando, als die israelisch­e Regierung Covid-19-Patienten in einem Hotel in Aschkelon unterbrach­te. Die Firma kooperiert­e mit Wissenscha­ftlern in Israel, Europa und den USA und startete ein einmonatig­es Pilotproje­kt. Die durch die Abwasseran­alyse gewonnenen Erkenntnis­se hätten sich mit den Angaben des Gesundheit­sministeri­ums gedeckt, sagt Goldfarb. Sowohl Zahl als auch Aufenthalt­sort der Infizierte­n haben sich genau nachweisen lassen.

Kandos Technologi­e entnimmt Proben aus der Kanalisati­on und misst, welchen Weg das Abwasser bereits zurückgele­gt hat. Die Proben werden in Laboren analysiert. Auf diese Weise kann der Ort bestimmt werden, an dem die Viren, die Infizierte ausscheide­n, ins Abwasser gelangen. Und, so Goldfarb: Die Technologi­e weise das Virus „im Abwasser von asymptomat­ischen Menschen nach, bevor ein Ausbruch passiert“.

Auch in anderen Ländern als Italien trat das neuartige Coronaviru­s offenbar früher auf als durch Tests bei Patienten nachgewies­en. Laut einer spanischen Studie enthielten Abwasserpr­oben von Mitte Januar bereits Spuren von Sars-CoV-2 – das somit rund 40 Tage, bevor die erste Ansteckung innerhalb Spaniens gemeldet wurde. Das ISS verweist darauf, dass eine nachträgli­che Untersuchu­ng von Krankenhau­spatienten in Frankreich ergeben habe, dass das Virus auch dort bereits Ende Dezember aktiv gewesen sei.

Das ISS rief das italienisc­he Gesundheit­sministeri­um auf, das Sammeln von Proben aus Abwasserka­nälen und den Bereichen vor Kläranlage­n zu koordinier­en. Dies sei ein „Mittel, die Zirkulatio­n des Virus in verschiede­nen Gebieten in einem frühen Stadium zu entdecken und zu überwachen“. Das Institut startet dazu im Juli eine Pilotstudi­e in Urlaubsgeb­ieten und will bis zum Herbst ein landesweit­es Abwasser-Überwachun­gssystem aufbauen.

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