Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bei Probefahrt gestohlen – im Internet verkauft
KARLSRUHE (dpa) - Es ist der Traum eines Paares aus Hessen: ein kleines Wohnmobil, günstig angeboten im Internet. Doch der Kauf im Jahr 2017 könnte zum finanziellen Fiasko werden. Ein unbekannter Mann hatte den Mercedes Marco Polo zuvor einem Händler bei einer Probefahrt entwendet. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe muss jetzt entscheiden, ob die Frau, die den Wagen, den sie für 46 500 Euro gutgläubig gekauft hat, an das Autohaus in Buxtehude zurückgeben muss. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte so geurteilt.
Der Betrug war aufgeflogen, als die Frau das als gestohlen gemeldete Auto zulassen wollte. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft verlief im Sande. Alles deutet darauf hin, dass kriminelle Profis am Werk waren, sie hatten Originalvordrucke aus einer Zulassungsstelle für ihre Fälschungen benutzt.
Wie schwierig die rechtliche Bewertung ist, wurde in der Verhandlung des V. Zivilsenats am Freitag deutlich. Es geht im Kern um die Frage, inwieweit das Autohaus mit der Überlassung des Wagens für eine unbegleitete einstündige Probefahrt seinen Besitz aus den Händen gegeben hat. Davon hängt nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Christina Stresemann ab, ob dem Autohaus der Wagen im juristischen Sinne abhandengekommen ist. Das hätte Konsequenzen für die Käuferin. Denn: „An abhandengekommenen Sachen kann man kein Eigentum erwerben.“
Das Paar aus Hessen konnte seine Betroffenheit während der kühlen juristischen Erörterung kaum verbergen. „Wir wollen, dass es endet“, sagte der Mann anschließend. Er könne nicht verstehen, dass ein als gestohlen gesuchtes Auto eine Woche lang – von den Börden unbemerkt – über ein großes Internetportal angeboten werde.
Die Anwälte der beiden Seiten verhakten sich unter anderem bei der Frage, ob der Mann, der den Vorführwagen im Wert von fast 53 000 Euro entwendete, während der Probefahrt als Besitzdiener des Autohändlers gewertet werden könne. Dann wäre der Verlust des Autos wieder ein Abhandenkommen mit den negativen Folgen für die Käuferin. Sie wäre Geld und Camper-Van los. Für die Besitzdienerschaft ist nach der bisherigen Rechtsprechung allerdings eine soziale Abhängigkeit erforderlich.
Am Ende der Verhandlung wandte sich die Vorsitzende Richterin direkt an die betrogenen Käufer. „Wir sehen beide Seiten“, sagte sie. Das Urteil soll am 18. September verkündet werden.