Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Winzer: „Mit blauem Auge davongekommen“
So erleben Winzer am Bodensee die Corona-Krise – Sorge um Mitarbeiter und Weinverkauf
Von Marlene Gempp
MEERSBURG - Kommen die jährlich mehrfach anreisenden und dringend gebrauchten Mitarbeiter rechtzeitig an? Wird genug Wein in der Gastronomie und an Privatpersonen verkauft? Winzer treiben in der aktuellen Corona-Krise ein paar Sorgen um, erzählen der Hagnauer Winzer Fabian Dimmeler und Jürgen Dietrich, Direktor des Staatsweinguts Meersburg.
„Ich bin froh, dass ich als Winzer in den vergangenen Monaten jeden Tag draußen war bei der Arbeit“, erzählt Fabian Dimmeler aus Hagnau. „Die Natur wächst, egal was los ist. Das ist tröstlich zu sehen.“Er fühle sich draußen am Weinberg immer sicher, der Reihenabstand sei zwei Meter und alle Arbeiter könnten genug Abstand zueinander halten.
Nur in den Pausen mussten neue Regelungen gefunden werden, um den Mindestabstand einhalten zu können. Regelmäßig kämen auch Mitarbeiter des Landratsamts vorbei, um die Maßnahmen zu kontrollieren und um zu beraten, erzählt Dimmeler. Improvisiert werden musste auch bei der Unterkunft der Saisonmitarbeiter, erklärt Dietrich vom Staatsweinguts Meersburg: „Wir haben im Betriebshof am Wetterkreuz eigentlich Platz für 22 Mitarbeiter. Plötzlich durften da aber nur noch elf wohnen. Wir brauchten aber natürlich gleich viele Mitarbeiter.“Das Team habe dann den Keller ausgebaut, Teppichboden verlegt und die Wände neu gestrichen.
Teilweise seien auch Mitarbeiter aus der Gastronomie kurzfristig eingesprungen, so Dietrich: „Wir hatten einen sehr erfolgreichen Aufruf auf Facebook und haben 12 Servicekräfte und Studenten eingestellt. Doch wirklich planen konnten wir mit diesen Mitarbeitern ja nicht. Die Gastronomie ist ja wieder offen.“Lange habe Unsicherheit geherrscht, ob die Mitarbeiter aus Polen und Rumänien einreisen dürfen. „Es gibt ja gleich viel Arbeit wie jedes Jahr. Die Weinberge müssen bearbeitet werden.“
Nach der Unsicherheit, ob jahrelange Mitarbeiter überhaupt rechtzeitig einreisen können, bereite der
Weinverkauf vielen Winzern Sorgen. „Vor allem in der Gastronomie fehlte der Absatz. Das hat wehgetan“, erzählt Dietrich. Noch laufe der normale Absatz für die Gastronomie aufgrund der auch noch nicht.
Winzer oder Genossenschaften, die einen Webshop haben, hätten vieles durch den Online-Verkauf auffangen
Abstandsregelung können, erzählt Dimmeler, der mit der Genossenschaft in Hagnau einen Online-Auftritt betreibt: „Wir haben gemerkt, dass Privatpersonen regionale Weine vermehrt nachgefragt haben. Wir hoffen, dass das so bleibt.“Viele Betriebe hätten neben dem Weinbau auch noch ein zweites Standbein, zum Beispiel Obstbäume.
Winzer, die sich auf Weinfeste spezialisiert haben, hätten dagegen ein größeres Problem mit dem fehlenden Absatz, da alle Feste in diesem Jahr abgesagt wurden. Auch seien natürlich Weinproben derzeit nicht möglich.
„Es ist gut, dass Wein nicht schnell schlecht wird und gelagert werden kann“, so Dimmeler. Viele Betriebe seien an Weihnachten üblicherweise schon ausverkauft, in diesem Jahr werde der Wein wohl bis weit ins kommende Frühjahr ausreichen. Als Landwirte seien es Winzer aber schon gewohnt, Ertragsschwankungen von bis zu 15 Prozent ausgleichen zu müssen, erklärt Dietrich: „Wir können die kommende Ernte momentan auch noch regulieren und schauen, dass es keinen Rekord-Ertrag gibt. Sonst müssten wir zusätzlich zum bereits eingelagerten Jahrgang die neuen Weine in den Kellern einlagern. Das wird zu viel.“Die Winzer am Bodensee würden immer eine bedarfsgerechte Menge anstreben, ergänzt Dimmeler: „Wir haben einen Qualitätsanspruch und arbeiten alle gut zusammen.“
„Die Krise wirft die Landwirtschaft nicht komplett aus der Bahn. Eine Delle wird aber bleiben“, schätzt Dietrich. Er vermutet, dass die Branche mit einem blauen Auge davonkommt.