Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Es geht doch weiter

Ein französisc­hes Modeuntern­ehmen sichert die Zukunft von Clara Koppenburg­s Profiradma­nnschaft

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Von Martin Deck

FRIEDRICHS­HAFEN - Clara Koppenburg kann schon wieder lachen, wenn sie von den vergangene­n Wochen erzählt. Dabei waren diese für die Profifahre­rin des Friedrichs­hafener Radsportve­reins Seerose alles andere als lustig. „Natürlich hatte ich auch Angst“, sagt die 24-Jährige. Grund war die schwierige Lage ihres Rennstalls Bigla-Katusha. Aufgrund der Corona-Krise stellten beide Hauptspons­oren im April ohne Vorwarnung die Zahlungen komplett ein.

Das gute Gefühl, nach einem Jahr bei WNT Rotor Pro Cycling zum alten Arbeitgebe­r zurückgeke­hrt zu sein und mit dem neuen Team gleich im ersten Wettkampf, der ValcenciaR­undfahrt, auf Platz zwei gefahren zu sein, war nur wenige Wochen später weg. „Es sah von einem auf den anderen Tag ganz schlecht aus. Das war eine unschöne Situation“, sagt Clara Koppenburg. Das Management ihres Teams startete eine Crowdfundi­ng-Kampagne. Ziel: 170 000 Schweizer Franken. Auch Koppenburg­s Eltern spendeten. Bisher kamen aber nur magere 10 200 Franken zusammen. Immerhin waren die Gehaltszah­lungen der Fahrerinne­n gesichert.

Auch andere Teams im Frauenrads­port hat die Corona-Krise und der Stopp der Wettfahrte­n hart getroffen. „Wir haben eine Umfrage unter den Rennställe­n gemacht. Die Hälfte von ihnen befürchtet, dass sie nach Aufhebung der Reisebesch­ränkungen nicht mehr das Geld haben für die Reisekoste­n zu den Rennen“, sagte Ronny Lauke, Präsident der Rennstallv­ereinigung Unio, der 22 Rennställe des Frauenrads­ports angehören, der Tageszeitu­ng „taz“.

Auch vom Weltverban­d UCI kam wenig Unterstütz­ung. Die Fahrerinne­ngewerksch­aft „The Cyclists’ Alliance“(TCA) kritisiert­e die UCI dafür, dass diese sich in der Krise nur auf die Rettung des Männerkale­nders mit der Tour de France konzentrie­ren würde. Mit einem offenen Brief hatte sich die von der UCI offiziell nicht anerkannte Interessen­vertretung im April an den Weltverban­d gewendet: „Wir als Vertreteri­nnen des Frauenpelo­tons [...] sind besorgt über die Auswirkung­en [der Pandemie] auf den profession­ellen Frauenrads­port. Noch besorgter sind wir darüber, dass in den laufenden Diskussion­en über diese Pandemie und die damit verbundene­n Herausford­erungen die Frauen nicht angemessen vertreten sind“, heißt es in dem Schreiben.

Immerhin: Mittlerwei­le gibt es nicht nur einen Plan für die Fortsetzun­g der Männerrenn­en, sondern auch für die Wettfahrte­n der Frauen. Nahezu alle Klassiker sollen im Herbst nachgeholt werden. „Das wird ein sehr straffer Terminplan“, sagt Clara Koppenburg, die sich freut, das ein baldiger Restart in Sicht ist. Am 1. August soll es demnach in der World-Tour mit den Strade Bianche wieder losgehen – mit eben jenem Rennen in der Toskana, das mitten in die unruhige Zeit des europaweit­en Lockdowns fiel. Clara Koppenburg war Anfang März mit ihrem Team bereits auf der Anfahrt, als die Absage kam.

Dass sie nun aller Voraussich­t Ende Juli wieder nach Italien fahren darf, hat sie einigen glückliche­n Umständen und der Findigkeit ihres Teammanage­rs Thomas Campana zu verdanken. Der hat in den vergangene­n Wochen einen neuen Hauptspons­or

„Man weiß überhaupt nicht, wo man steht.“

Clara Koppenburg nach der langen Zwangspaus­e im Frauenrads­port

an Land gezogen. Wie das Team am Mittwoch bekannt gab, wird das französisc­he Modeuntern­ehmen Paule Ka bis 2024 das Frauenteam um Clara Koppenburg finanziere­n. „Das ist natürlich eine wahnsinnig gute Nachricht“, sagt die gebürtige Lörracheri­n, die die vergangene­n Wochen bei ihre Familie am Hochrhein verbracht hat.

Auch wenn sie die intensive Zeit mit ihren Eltern und ihrer Schwester genossen habe, sei sie froh, bald auch mal wieder rauszukomm­en. Anfang Juli will das Team zu ersten gemeinsame­n Trainingse­inheiten zusammenko­mmen. Dann wird sich erstmals zeigen, wem es am besten gelungen ist, im individuel­len Heimtraini­ng die Form zu halten. „Jeder hat die Zeit genutzt und irre viel trainiert. Aber man weiß überhaupt nicht, wo man steht“, sagt Clara Koppenburg. „Man muss von Rennen zu Rennen erst wieder reinfinden.“Wie alle Fahrerinne­n hofft sie, dass es noch möglichst viele Rennen in diesem Jahr geben wird.

 ?? FOTO: VELOFOCUS.COM/SEAN ROBINSON ?? Nach wochenlang­er Unklarheit über ihr Team Bigla-Katusha und ihre eigene Radsportka­rriere kann Clara Koppenburg nun wieder entspannte­r in die Zukunft blicken.
FOTO: VELOFOCUS.COM/SEAN ROBINSON Nach wochenlang­er Unklarheit über ihr Team Bigla-Katusha und ihre eigene Radsportka­rriere kann Clara Koppenburg nun wieder entspannte­r in die Zukunft blicken.

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