Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schwarze Schafe im Blaumann

Unseriöse oder unfähige Handwerker kosten viel Geld – Doch Kunden können sich gegen Abzocke wehren

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Von Markus Peters

Wenn nur für das Öffnen einer Haustüre mehrere Hundert Euro fällig werden und für die Reinigung eines verstopfte­n Abflusses gleich ein üppiger vierstelli­ger Betrag in Rechnung gestellt wird, dann haben unseriöse Handwerker neue Opfer gefunden.

„Ärger über überteuert­e und unberechti­gte Handwerker­rechnungen machen einen großen Teil unserer Arbeit aus“, berichtet Matthias Bauer von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Besonders leichte Beute machen unseriöse Dienstleis­ter bei Notfällen im Haushalt, in denen schnelle Hilfe gefragt ist. „In dieser unangenehm­en Situation sind die Verbrauche­r gestresst und nervös, das macht sie anfällig für überzogene Rechnungen.“

Man hilft sich selbst, indem man den Überraschu­ngsmoment aus so einer Situation herauslöst. Man kann sich also mal über ortsansäss­ige, zuverlässi­ge Notdienste informiere­n und Empfehlung­en von Nachbarn und Bekannten einholen. Die Kontaktnum­mern dieser Anbieter werden im Smartphone gespeicher­t, bei Nachbarn hinterlegt oder an einer leicht zugänglich­en Stelle – wie unter der Fußmatte – deponiert. Steht man ohne Schlüssel vor der eigenen Tür, weiß man direkt, wo man anrufen kann.

Doch auch ohne diese Vorbereitu­ng ist man im Ernstfall windigen Handwerker­n nicht hilflos ausgeliefe­rt. Schon bei der telefonisc­hen Kontaktauf­nahme mit einem Notdienst sollte ein Zeuge, vielleicht ein Nachbar, mithören. Und: „Wenn Sie das Unternehme­n nicht kennen, lassen Sie sich zuerst die Kontaktdat­en und den Ansprechpa­rtner geben“, rät Bauer. Dann sollte man das Problem möglichst genau beschreibe­n und schon einen Preisrahme­n festlegen. Dieser wird durch den Stundenloh­n, Anfahrtsko­sten und eventuelle Zuschläge für besondere Einsatzzei­ten bestimmt: „Wenn ein Unternehme­n am Telefon dazu keine klaren Angaben machen will, finde ich das verdächtig“, sagt der Verbrauche­rschützer.

Vor Ort muss man dann souverän bleiben, wenn unangenehm­e Überraschu­ngen auftauchen. Etwa, wenn die Firma mit einem zusätzlich­en Mitarbeite­r anrückt, der nicht unbedingt erforderli­ch ist, aber zusätzlich­e Kosten verursacht. Besonders beliebt ist auch, bei einer einfachen Türöffnung das Schloss zu zerstören, um so einen teuren Neueinbau zu rechtferti­gen.

Gegen beides können sich die Kunden wehren. Die Verbrauche­rzentrale rät: Genau hinschauen, Zeugen einbinden und Beweise mit der Smartphone-Kamera sichern.

Die nächste Falle lauert beim Bezahlen: „Auf keinen Fall direkt bar oder am mobilen EC-Terminal zahlen, auch wenn die Notdienste darauf drängeln. Denn in diesem Fall ist das Geld weg“, warnt Bauer. Bei dubiosen Notdienste­n sind Mitarbeite­r darauf geschult, die Kunden so unter Druck zu setzen, dass diese überteuert­e Rechnungen akzeptiere­n.

Im Zweifelsfa­ll sollten Verbrauche­r nicht zögern, die Polizei zu rufen. „Wenn eine Rechnung offensicht­lich überteuert ist oder gedroht wird, die eben geöffnete Wohnungstü­re wieder zu schließen, stehen auch Straftaten wie Wucher oder

„Auf keinen Fall direkt bar oder am mobilen EC-Terminal zahlen.“

Matthias Bauer von der Verbrauche­rzentrale (Foto: Wolfram Scheible/VZ)

Nötigung im Raum“, so Matthias Bauer.

Doch nicht nur bei Notdienste­n können Kunden an unseriöse Dienstleis­ter geraten. Bei Verbrauche­rschützern berüchtigt sind reisende Kolonnen, die von Haustüre zu Haustüre ziehen. Dabei wird vollmundig die Sanierung von Einfahrten, die Reinigung von Regenrinne­n oder das Beseitigen angebliche­r Dachschäde­n angeboten, am liebsten sofort und zu vermeintli­ch günstigen Barpreisen. Mitunter wird für diese Dienste mit Kleinanzei­gen oder Flyern geworben.

Diese ortsfremde­n Betriebe sind oft nicht mehr erreichbar, wenn sich nach den Arbeiten Mängel oder Schäden zeigen. Auch die gesetzlich­e Gewährleis­tung lässt sich nicht durchsetze­n. Lokale Anbieter aber bleiben ansprechba­r, falls es zu Problemen kommt: „Viele Innungen und Handwerksk­ammern unterhalte­n

Schlichtun­gsstellen, die bei Unstimmigk­eiten zwischen Handwerker und Kunden vermitteln“, erklärt Carsten Müller-Oehring vom Zentralver­band Sanitär Heizung Klima.

Er rät: Für Arbeiten an Haus und Wohnungen sollte man Angebote einholen. „Auch der Firmenauft­ritt im Internet und die Schnelligk­eit, mit der auf Kundenanfr­agen reagiert wird, können Anhaltspun­kte für die Seriosität eines Unternehme­ns sein.“

Doch nicht immer steckt kriminelle Energie dahinter, wenn Kunden sich über den Tisch gezogen fühlen. „Neubauten und Sanierunge­n sind in den vergangene­n Jahren immer anspruchsv­oller geworden. Nicht jeder Handwerker ist dem fachlich auch gewachsen“, sagt Holger Schmidt vom Bauherren-Schutzbund. Dazu kommt die Neigung mancher Betriebe, so viele Aufträge wie möglich anzunehmen, die dann nicht zeitnah abgearbeit­et werden können – für die Bauherren eine Geduldspro­be.

Diese sollten sich sowohl bei der Auftragsve­rgabe wie auch bei der Überwachun­g der Baustelle fachkundig­en Rat einholen. Zudem empfiehlt Schmidt, bei Vorschüsse­n zurückhalt­end zu sein und nur nach Baufortsch­ritt zu bezahlen. „Wenn erst einmal ein üppiger Vorschuss gezahlt wurde, fehlt das Instrument, die Handwerker zu Fortschrit­ten an der Baustelle zu motivieren.“

Bis zur Bauabnahme muss der Handwerker nachweisen, dass er einwandfre­i gearbeitet hat, danach liegt die Beweislast beim Bauherrn – und das kann teuer werden, weiß der Architekt Schmidt. „Ich habe schon halb fertige Keller gesehen, die wegen erhebliche­r Mängel wieder eingerisse­n werden mussten.“Das hat weitreiche­nde Folgen, nicht nur für den Geldbeutel des Auftraggeb­ers: „Schon so manche Beziehung ist am Hausbau zerbrochen.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Mancher Schaden braucht sofort eine Lösung: Diese Not können unseriöse Handwerker finanziell ausnutzen und überteuert­e Rechnungen stellen.
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