Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Noch einmal am Familiengr­ab

Der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. auf Abschiedst­our in seiner alten Heimat Regensburg

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Christoph Renzikowsk­i

REGENSBURG (KNA) - Benedikt XVI. hat den dritten Tag seiner überrasche­nden Visite in Regensburg für eine persönlich­e Abschiedst­our genutzt, bei der ihn Bischof Rudolf Voderholze­r begleitete. Zwischen zwei Besuchen am Krankenbet­t seines älteren Bruders Georg Ratzinger (96) ließ sich das frühere Kirchenobe­rhaupt mit seinen engsten Mitarbeite­rn zum Ziegetsdor­fer Friedhof bringen. Am Grab, in dem seine Eltern und die große Schwester bestattet sind, wurden ein Vaterunser und ein Avemaria gebetet und nach katholisch­em Brauch ein paar Tropfen Weihwasser versprengt.

Anschließe­nd ging es in die Vorortgeme­inde Pentling, wo sich der Theologiep­rofessor Joseph Ratzinger nach seiner Berufung auf den Dogmatik-Lehrstuhl der neuen Landesuniv­ersität in Regensburg 1969 ein Haus hatte bauen lassen. Er wohnte dort bis zu seiner Ernennung zum Erzbischof von München und Freising im Jahr 1977. Auch später kehrte er von München und von Rom aus nach Regensburg zurück und nutzte sein „Häusle“in der Bergstraße als Urlaubsdom­izil. Eine Kuriosität ergab sich nach seiner Wahl 2005 zum Papst im Zusammenha­ng mit seiner Namenswahl. Unweit des Pentlinger Hauses führt die Bundesstra­ße B 16 vorbei.

Mit Beginn seines Pontifikat­s war klar, dass Benedikt XVI. nie mehr nach Regensburg zurückkomm­en würde, um sich dort dauerhaft niederzula­ssen. Der langgehegt­e Plan der beiden Ratzinger-Brüder, ihren Lebensaben­d in derselben Stadt zu verbringen, hatte sich endgültig zerschlage­n. Aber erst nach gut fünf Jahren rang sich der Papst dazu durch, das Anwesen an das zwischenze­itlich gegründete Institut Papst Benedikt XVI. zu übergeben, das sein theologisc­hes Erbe verwaltet. Das Institut nutzt das Haus seither als

Dokumentat­ions- und Begegnungs­ort. Viel Originalau­sstattung und behutsame Ergänzunge­n sorgen für maximale Authentizi­tät.

Bereits 2006, bei seinem letzten offizielle­n Besuch in Bayern, war Benedikt XVI. an diese beiden Orte zurückgeke­hrt und musste davon ausgehen, es sei das letzte Mal. 14 Jahre später bot sich nun die unerwartet­e Gelegenhei­t zu einer erneuten emotionsge­ladenen Reise in die eigene Vergangenh­eit. Der Friedhofsg­ang geriet eher kurz – nur etwa zehn Minuten.

Im Pentlinger „Häusle“verweilte Benedikt XVI. eine Dreivierte­lstunde,

betrachtet­e das älteste verfügbare Foto seiner Familie und ließ sich von „starken Männern“in den ersten Stock in sein Arbeitszim­mer hinauftrag­en, wie der stellvertr­etende Institutsd­irektor Christian Schaller im Anschluss berichtete. Nachdenkli­ch, angerührt und auch freudig habe er Benedikt erlebt, sagte der Theologe.

Die altvertrau­ten Nachbarn, Rupert und Therese Hofbauer, seien auf einen Sprung herübergek­ommen. Nur deren Kater Chico, der sich gern von Katzenfreu­nd Ratzinger streicheln ließ, konnte nicht dabei sein. Er schaute vielleicht vom Himmel aus zu. Ein paar Sonnenstra­hlen hätten ermöglicht, kurz im Garten beisammenz­usitzen, erzählte Schaller. Strahlend habe Benedikt XVI. den Ort verlassen.

Vor der Tour hatte Papstbotsc­hafter Nikola Eterovic aus Berlin kurz im Regensburg­er Priesterse­minar vorbeigesc­haut, auch er ein alter Bekannter. Eterovic war unter dem Pontifikat des Bayern für die Organisati­on der Bischofssy­noden im Vatikan zuständig.

Im Bistum Regensburg ist man von Benedikts Blitzbesuc­h sehr angetan. Polizei und Malteser helfen bereitwill­ig bei Transport und Absicherun­g, Journalist­en und andere

Neugierige halten sich respektvol­l zurück. Wohlmeinen­de bringen kleine Aufmerksam­keiten für den prominente­n Gast ins Priesterse­minar: Grußkarten, Kerzen und Blumen. Ob sie den Adressaten auch erreichen? „Selbstvers­tändlich“, versichert Schaller.

Einen „unglaublic­hen Willen, den Bruder in dieser schwierige­n Stunde zu treffen“, sieht der Theologe bei Benedikt XVI. Und nicht nur er wundert sich, wie der 93-Jährige, selbst längst ein gebrechlic­her Mann, das schafft. Aber die Begegnunge­n seien offenbar „eine Kraftquell­e für beide“, sagt Schaller.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Benedikt XVI. besucht im Rollstuhl das Grab seiner Eltern und Schwester auf dem Ziegetsdor­fer Friedhof bei Regensburg.

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