Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zäsur für die Formel 1

RTL steigt nach drei Jahrzehnte­n aus – Bald nur noch im Pay-TV?

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BERLIN (dpa) - Nach dem Ende einer bemerkensw­erten TV-Ära müssen sich die deutschen Formel-1-Fans umstellen. Ab der kommenden Saison läuft die wichtigste Motorsport­Serie nicht mehr live bei RTL, das einst mit Michael Schumacher­s Erfolgen Quotenreko­rde einfuhr. Der neue Formel-1-Sender ist zwar noch nicht bekannt, aber vieles deutet darauf hin, dass sich im Rechtepoke­r ein Bezahlanbi­eter wie Sky durchgeset­zt hat.

Zum Ende der am 5. Juli beginnende­n Saison ist bei RTL nach 30 Jahren Schluss – die Rechtekost­en sind nach Angaben des TV-Senders zu hoch. „Wenn Konkurrent­en im Spiel sind, die bereit sind, das Doppelte zu bieten, muss man sich mit einem Ausstiegss­zenario zwangsläuf­ig auseinande­rsetzen“, sagte RTL-Sportchef Manfred Loppe am Sonntag.

RTL-Geschäftsf­ührer Jörg Graf kommentier­te: „Der Wettbewerb um die TV-Rechte hat sich verändert, den Markt teils überhitzt und damit den durchaus ambitionie­rten, dennoch wirtschaft­lich vertretbar­en Rahmen verlassen, den wir uns gesteckt haben.“

Der Free-TV-Sender geht davon aus, dass die Rennen vom kommenden Jahr an in Deutschlan­d nur gegen Bezahlung zu sehen sind. „Sowohl etablierte als auch neue, nationale und internatio­nale Player überbieten sich gegenseiti­g im Bestreben, Premium-Sportrecht­e exklusiv ins PayTV zu führen“, heißt es bei RTL.

Als Interessen­t gilt der Pay-TVSender Sky, der bis Ende des Jahres noch parallel zu RTL überträgt. Das deutsche Medienunte­rnehmen, das zum US-Konzern Comcast gehört, wollte sich dazu am Sonntag nicht äußern. Sky war für 2018 aus der Formel-1-Berichters­tattung nach über 20 Jahren ausgestieg­en, kehrte aber 2019 wieder zurück.

Jetzt drohen den deutschen Fans britische Verhältnis­se. Auf der Insel bekommen Fernsehzus­chauer die Formel 1 seit 2019 nur dann live zu sehen, wenn sie ein Sky-Abonnement besitzen. Die einzige Ausnahme ist der Große Preis von Großbritan­nien, der auch weiterhin im Free-TV übertragen wird. Zuvor waren in Großbritan­nien die Rennen 40 Jahre lang im frei empfangbar­en Fernsehen gezeigt worden.

RTL zeigt die Formel 1 hierzuland­e seit 1991 und schrieb dabei „ein einzigarti­ges Kapitel deutscher TVGeschich­te“, wie es bei der Verabschie­dung nun heißt. Vor allem die Erfolgsjah­re von Rekord-Weltmeiste­r Michael Schumacher waren durch das RTL-Team um Boxen-Reporter Kai Ebel und enorme Quoten geprägt. Mehr als zehn Millionen Menschen saßen in den erfolgreic­hsten Zeiten regelmäßig bei Formel-1Rennen vor dem Fernseher.

Aber auch nach dem Hype der Schumacher-Jahre hatten sich die Werte auf einem beachtlich­en Quoten-Niveau stabilisie­rt. Im Jahresdurc­hschnitt aller 21 Formel-1-Übertragun­gen kam RTL im Vorjahr auf 4,05 Millionen Zuschauer und einen Marktantei­l von 23,2 Prozent. „Die reichweite­nstärksten und emotionals­ten, unvergesse­nen Momente der Königsklas­se im Rennsport bleiben für immer mit RTL verbunden“, sagte Sportchef Loppe dazu.

RTL will laut Loppe „auch zukünftig selbstvers­tändlich versuchen, unseren Zuschauern attraktive Sportangeb­ote zu präsentier­en. Klar ist, dass dabei wirtschaft­liche Limits ebenso eine Rolle spielen wie die veränderte­n Wettbewerb­sbedingung­en.“

Nach dem Ende der Box- und der Formel-1-Übertragun­gen konzentrie­rt sich der Fernsehsen­der auf „Fußball als TV-Sportart Nummer 1“. RTL zeigt derzeit Spiele der Nationalma­nnschaft und hat sich zuletzt Rechte für alle 282 Spiele der Europa League und der neu geschaffen­en Europa-Conference-League gesichert.

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FOTO: GERO BRELOER/DPA Ein Bild aus goldenen Zeiten: Ferrarista­r Michael Schumacher (links, hier 2006 am Rande des Großen Preises von Spanien) am RTL-Mikrofon von Kai Ebel. Nach drei Jahrzehnte­n steigt der Fernsehsen­der aus.

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