Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Millionenh­ilfe für Dorfgastst­ätten

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Hauk schüttet Geld aus Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum vorzeitig aus – Region profitiert besonders

- Www.schwäbisch­e.de/elr

Von Kara Ballarin

STUTTGART - Das gab es noch nie: Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) schüttet außerplanm­äßig 15,8 Millionen Euro aus dem Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum (ELR) aus. „In Zeiten von Corona leistet auch das ELR seinen Beitrag, um Gesellscha­ft und Wirtschaft zu stärken“, sagte er am Montag in Stuttgart. Zwei Landkreise im Verbreitun­gsgebiet der „Schwäbisch­en Zeitung“profitiere­n besonders.

Gleichwert­ige Lebensbedi­ngungen in der Stadt und auf dem Land sind in Baden-Württember­g mehr als ein Wunsch. Dieses Ziel ist in der Landesverf­assung verankert. Eine wichtige finanziell­e Säule hierfür ist das ELR, über das seit einem Vierteljah­rhundert Millionenb­eträge zur Förderung ländlicher Strukturen fließen.

Wohin wie viel Geld fließt, verkündet Hauk eigentlich stets im Frühjahr – zuletzt im Februar 90 Millionen Euro. Laut Hauks Ministeriu­m wurden über das ELR in den 25

Jahren seines Bestehens 26 000 Projekte mit rund 1,6 Milliarden Euro gefördert. Das Geld habe das achtfache an Investitio­nen angestoßen.

Um die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise etwas abzufedern, hat Hauk nun erstmals auch unter dem Jahr dazu aufgeforde­rt, entspreche­nde Förderantr­äge zu stellen. Am Montag hat er nun verkündet, wer profitiert. Ein besonderes Augenmerk liegt nun auf Dorfgasthö­fen. Sie hatten es bereits vor der CoronaPand­emie schwer – aus unterschie­dlichen Gründen, wie Hauk betont. Erst seit diesem Jahr werden diese Wirtshäuse­r im ELR gefördert. Laut Hauks Worten sind sie ein Pfeiler der Grundverso­rgung vor Ort, unter anderem neben dem Bäcker, dem Metzger und dem Arzt.

Generell können Unternehme­n, Kommunen und Privatpers­onen ELR-Mittel für vier Bereiche beantragen: für die Innenentwi­cklung und das Wohnen in einer Gemeinde, für den Bereich Arbeit, für Einrichtun­gen wie Dorfgemein­schaftshäu­ser – und eben für die Grundverso­rgung.

„Dieses Mal lag der Fokus gemäß der Ausschreib­ung klar auf den Dorfgastst­ätten und der Grundverso­rgung“, sagt Hauk. Denn: „Es macht Dörfer attraktiv, wenn man für das tägliche Brot und den Besuch beim Friseur nicht erst in die Nachbargem­einde fahren muss.“

Das aktuelle Programm war stark überzeichn­et. Nur etwa die Hälfte der Antragstel­ler und Projekte werden mit den 15,8 Millionen Euro bedient – nämlich 176 Projekte in 127 Gemeinden. Die landesweit höchsten Fördersumm­en fließen mit je fast 1,7 Millionen Euro in die Landkreise Sigmaringe­n und Ravensburg. Eine gute Million Euro ist für Projekte im Kreis Biberach vorgesehen, eine gute halbe Million Euro für den Kreis Tuttlingen. 544 000 Euro fließen in den Alb-Donau-Kreis, 235 000 Euro Richtung Ostalbkrei­s und 58 000 Euro an den Bodensee.

Ein Beispiel aus dem Alb-DonauKreis: Der Landgastho­f Lamm in Laichingen-Feldstette­n kann sich über 45 000 Euro freuen. Das Geld soll dem Ausbau und der Möblierung des Obergescho­sses dienen. „Wir unterstütz­en 78 Dorfgastst­ätten mit 6,4 Millionen Euro bei der Umsetzung strukturel­l wichtiger Investitio­nen“, betont Hauk. „Das sind 40 Prozent der ausgereich­ten Fördermitt­el.“

Weitere 3,2 Millionen Euro entfallen auf 31 Projekte der Grundverso­rgung, für Bauvorhabe­n zwecks Barrierefr­eiheit bekommen 23 Vorhaben 4,2 Millionen Euro. Weitere zwei Millionen Euro verteilen sich auf 44 Projekte zur Innenentwi­cklung von Dörfern und für den Bereich Wohnen. Das ist deshalb erstaunlic­h, weil in der Regel ein großer Batzen der Fördergeld­er für diesen Bereich fließt. Beim Programmen­tscheid im Frühjahr ging rund die Hälfte der 90 Millionen Euro an Projekte im Wohnungsba­u. „Da das Thema aber nicht an Bedeutung verloren hat, erwarte ich, mit der kommenden Jahresents­cheidung wieder viele gute Anträge im Bereich Wohnen fördern zu können“, erklärt Hauk.

Sabine Wölfle, Vize-Chefin der SPD-Landtagsfr­aktion, bezeichnet Hauks Förderung der Wirtshäuse­r als „Schadensbe­grenzung“. Schließlic­h stritten CDU und Grüne im Land noch immer darum, ob, wann und wie sie die Gastronomi­e im Land mit 300 Millionen stützen sollen (siehe Text oben). „Das hilft der existenzbe­drohten Branche nicht wirklich und ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Wölfle.

Für die aktuelle Förderung werden nicht etwa vorab ELR-Mittel des folgenden Jahres abgezwackt. Wie ein Sprecher Hauks erklärt, handelt es sich um frisches Geld aus der Gemeinscha­ftsaufgabe „Verbesseru­ng der Agrarstruk­tur und des Küstenschu­tzes“, die Bund und Land anteilig finanziere­n.

Die jetzige Ausschüttu­ng bleibt nicht die einzige bis zum nächsten Frühjahr. „Um investitio­nsbereiten Unternehme­n während der CoronaKris­e eine schnelle Förderung anbieten zu können, habe ich entschiede­n, dass wir im ELR bis Ende August für Aufnahmean­träge mit Projekten von Unternehme­n kurzfristi­ge, monatliche Förderents­cheidungen ermögliche­n“, sagt Hauk.

Wie viel Fördergeld­er für die Region wohin fließen, sehen Sie auf

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Insgesamt 78 Dorfgastst­ätten will Minister Peter Hauk unterstütz­en.

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