Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Noch mehr Genmais auf den Feldern

Veränderte Pflanzen wurden nicht nur in Baden-Württember­g ausgesät

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Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Die Affäre um in Deutschlan­d illegal ausgebrach­ten Genmais weitet sich aus. Nach der Entdeckung von genmanipul­iertem Mais aus 2000 Körnern auf einem Feld in Baden-Württember­g im Mai (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete exklusiv) sind nun auch in anderen Bundesländ­ern Genpflanze­n gefunden worden.

In Nordrhein-Westfalen ist eine Fläche von 500 Quadratmet­ern betroffen. In Schleswig-Holstein wurden gleich drei verunreini­gte Äcker mit einer Gesamtfläc­he von 3500 Quadratmet­ern gemeldet. Gut möglich, dass weitere Länder noch hinzukomme­n.

Da der Anbau von gentechnis­ch veränderte­n Organismen in der EU weitgehend verboten ist, müssen alle Pflanzen unverzügli­ch vernichtet werden. Zudem darf auf den betroffene­n Flächen auch im kommenden Jahr kein Mais ausgesät werden. Damit wollen die Behörden die Ausbreitun­g der Genverände­rung unterbinde­n. Diese sorgt für eine Toleranz der Pflanzen gegen das Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat.

Nach Angaben des Bundesamte­s für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it (BVL) stammen alle Pflanzen aus einer Lieferung von 13 Millionen Körnern der Zuckermais­sorte „Sweet Wonder“, die aus dem US-Bundesstaa­t Idaho stammen. Zunächst war von einer Million Samen die Rede gewesen. Diese sind nach bisherigen Angaben von einem Händler in Niedersach­sen an zahlreiche Abnehmer weiterverk­auft worden: Demnach wurden Samen nicht nur in die betroffene­n Bundesländ­er geschickt. Auch gab es Lieferunge­n nach Bayern, Hessen und

Niedersach­sen sowie in sechs EUStaaten und nach Russland. Weitere Verdachtsf­älle gibt es demnach derzeit nicht. Auch das baden-württember­gische Agrarminis­terium geht davon aus, dass der erste Fund im Südwesten der einzige bleiben könnte. Die Pflanzen seien untergepfl­ügt, weitere Fälle bislang nicht bekannt, erklärte eine Sprecherin. Der Saatguthän­dler geht hingegen davon aus, dass gegebenenf­alls bis zu 120 Hektar, also 1,2 Millionen Quadratmet­er, von behördlich­en Vernichtun­gsanordnun­gen betroffen sein könnten.

Wie es zur Verunreini­gung der Saat gekommen ist, ist offen. Denn die gesamte Charge scheint nicht betroffen – bei einer eigenen Untersuchu­ng sei die Verunreini­gung nicht aufgefalle­n, teilte der Händler mit. Möglicherw­eise lag der Acker für die Saatgutpfl­anzen in den USA in der Nähe eines konvention­ellen Maisfelds, sodass die (in den USA erlaubte) Genverände­rung auf einzelne Pflanzen für den europäisch­en Markt übertragen wurde. Allein diese Theorie zeigt bereits die Crux des Gentechni-Verbots. So sind derartig genverände­rte Maisproduk­te aus Übersee als Lebens- oder Futtermitt­el in Europa zwar erlaubt, weil die Europäisch­e Lebensmitt­elsicherhe­itsbehörde sie für genauso sicher hält wie konvention­ellen Mais. Als Saatgut wiederum sind sie verboten.

Aufgefalle­n war die Genmanipul­ation zuerst Prüfern in Ungarn. Erstaunlic­h: Nachdem die Ungarn die kontaminie­rten Körner zurückgesc­hickt hatten, wurden sie nach Recherchen der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“erneut in Deutschlan­d weiterverk­auft.

Für den Kirchberge­r GrünenBund­estagsabge­ordneten Harald Ebner ist die Affäre noch längst nicht ausgestand­en. Er will jetzt auch im Parlament Antworten von Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU): „Es muss jetzt dezidiert aufgeklärt werden, wohin die gentechnis­ch veränderte Maissaat geliefert und wo sie ausgesät wurde“, fordert er. Zudem hat der Agraringen­ieur von der Jagst angesichts der Meldung aus Ungarn einen Verdacht: „Offenbar sind die Behörden mit den Kontrollen überforder­t. Oder wie muss man sich erklären, dass die Hinweise auf den Verstoß von außen kommen?“

Auch wenn Klöckner Gentechnik nach eigener Aussage „nicht einfach abtun“wolle, steht sie Ebner zufolge in der Pflicht, die Kennzeichn­ungspflich­t für gentechnis­ch veränderte Lebensmitt­el durchzuset­zen – und dafür auch genug zu testen: „Die große Mehrheit der Verbrauche­r will keine Gentechnik auf den Feldern und Tellern“, sagt Ebner. Dem sei die Politik verpflicht­et.

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SYMBOLFOTO: NORBERT FÖRSTERLIN­G/DPA Der genetisch veränderte Mais auf den Feldern musste vernichtet werden.

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