Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Was kann ich machen, wenn die Rente nicht zum Leben reicht?

Fachleute geben bei der Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“Antworten zum Thema Erwerbsmin­derungsren­te

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RAVENSBURG (sz) - Um Fragen rund um das Thema Erwerbsmin­derungsren­te ist es bei der jüngsten Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“gegangen. Die Experten Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenvers­icherung Bund und Daniel von der Ohe von der Deutschen Rentenvers­icherung Baden-Württember­g standen unseren Lesern Rede und Antwort.

Ich beziehe schon seit Jahren eine Erwerbsmin­derungsren­te, etwas mehr als 800 Euro im Monat. Durch die steigenden Lebenshalt­ungskosten wird es finanziell langsam eng. Was raten Sie mir? Könnte ich einen Minijob annehmen oder wird mir dann die Rente gestrichen?

Als Erstes sollten Sie prüfen lassen, ob ein Anspruch auf Grundsiche­rung besteht. Der Antrag ist beim zuständige­n Sozial- beziehungs­weise Grundsiche­rungsamt Ihres Wohnortes zu stellen. Darüber hinaus können Sie natürlich auch ein paar Stunden arbeiten gehen, soweit es Ihr Gesundheit­szustand erlaubt. Dabei können Sie bis zu 6300 Euro im Jahr zu Ihrer vollen Erwerbsmin­derungsren­te hinzuverdi­enen. Verdienen Sie mehr, wird die Rente gekürzt. Hier gelten die gleichen Anrechnung­sregeln wie bei den vorgezogen­en Altersrent­en. Bitte beachten Sie, dass Sie weniger als drei Stunden am Tag arbeiten gehen. Ansonsten gefährden Sie eventuell Ihren Rentenansp­ruch.

Was kann ich machen, wenn mir meine Erwerbsmin­derungsren­te nicht zum Leben reicht?

Sofern Sie dauerhaft voll erwerbsgem­indert sind und Ihren notwendige­n Lebensunte­rhalt nicht ausreichen­d aus eigenen finanziell­en Mitteln, einschließ­lich der Erwerbsmin­derungsren­te, sicherstel­len können, können Sie einen zusätzlich­en Anspruch auf die sogenannte Grundsiche­rung im Alter oder auf Wohngeld prüfen lassen.

Ich bin Mitte 40, schon länger krankgesch­rieben und beziehe Krankengel­d. Jetzt hat mich meine Krankenkas­se aufgeforde­rt einen

Reha-Antrag zu stellen. Was bedeutet das für mich?

Wenn die Krankenkas­se Sie dazu aufgeforde­rt hat, sind Sie nun tatsächlic­h verpflicht­et, einen entspreche­nden Antrag zu stellen. Es wird dann geprüft, ob Sie rehabilita­tionsfähig sind und ob die Reha-Maßnahme auch Aussicht auf Erfolg hat. Sollte sich nach Abschluss der Reha herausstel­len, dass Sie nach wie vor nicht arbeitsfäh­ig sind, wird von Amts wegen geprüft, ob für Sie eine Rente wegen Erwerbsmin­derung infrage kommt.

Ich bin Beamter (55 Jahre) und habe seit 2002 zusätzlich als Angestellt­er einen Nebenjob. Über diesen zahle ich auch Beiträge in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung ein. Im letzten Jahr wurde bei mir eine Dienstunfä­higkeit festgestel­lt und ich beziehe eine entspreche­nde Pension. Habe ich auch Anspruch auf eine Erwerbsmin­derungsren­te aus der gesetzlich­en Rentenvers­icherung?

Für eine Erwerbsmin­derungsren­te müssen Sie verschiede­ne Voraussetz­ungen erfüllen. Zum einem müssen Sie insgesamt fünf Jahre Beiträge eingezahlt haben. Hiervon müssen in den letzten fünf Jahren vor der Erkrankung 36 Monate Pflichtbei­träge sein. Zum anderen muss medizinisc­h geprüft werden, ob auch eine Erwerbsmin­derung im Sinne der gesetzlich­en Rentenvers­icherung vorliegt. Voll erwerbsgem­indert sind Sie, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, noch mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Können Sie noch mindestens drei Stunden arbeiten aber nicht mehr sechs Stunden, sind Sie teilweise erwerbsgem­indert und erhalten eine Rente wegen teilweiser Erwerbsmin­derung. Diese wird in Höhe von 50 Prozent der vollen Rente ausgezahlt. Für die Prüfung Ihrer Erwerbsmin­derung wird immer auf den allgemeine­n Arbeitsmar­kt abgestellt. Ihre bisher ausgeübte Tätigkeit spielt hierfür keine Rolle.

Meine Erwerbsmin­derungsren­te wurde für zwei Jahre bewilligt und läuft in ein paar Monaten aus. Muss diese denn jetzt komplett neu beantragt werden?

Für die Weitergewä­hrung Ihrer Erwerbsmin­derungsren­te ist ein verkürzter Antrag vorgesehen. Diesen Antrag sollten Sie etwa ein halbes Jahr vor dem Ende der Befristung einreichen. Sie können sich das Formular von der Deutschen Rentenvers­icherung zusenden oder in einer örtlichen Auskunfts- und Beratungss­telle der Rentenvers­icherung kostenlos aufnehmen lassen.

Ich bin bereits seit über einem Jahr krankgesch­rieben und beziehe Krankengel­d. Bisher hat mich noch keiner aufgeforde­rt eine Erwerbsmin­derungsren­te zu beantragen. Kann ich den Antrag auch ohne Aufforderu­ng stellen?

Einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsmin­derung können Sie jederzeit stellen, auch wenn Sie nicht durch Ihre Krankenkas­se oder eine andere Institutio­n hierzu aufgeforde­rt wurden. Bitte stellen Sie den Antrag rechtzeiti­g vor Auslaufen Ihres Krankengel­des. Um Zahlungsun­terbrechun­gen zu vermeiden, empfehlen wir den Antrag sechs Monate vorher zu stellen.

Bei mir wurde kürzlich MS diagnostiz­iert. Noch befinde ich mich in der Lohnfortza­hlung. Soll ich trotzdem bereits jetzt eine Rente wegen Erwerbsmin­derung beantragen?

Für die Prüfung Ihrer Erwerbsmin­derung wird immer auf den allgemeine­n Arbeitsmar­kt abgestellt. Ihre bisher ausgeübte Tätigkeit spielt hierfür keine Rolle. Bitte lassen Sie sich vor der Antragstel­lung zur Höhe Ihrer Rente und den eventuelle­n Hinzuverdi­enstmöglic­hkeiten in einer Auskunfts- und Beratungss­telle der Rentenvers­icherung beraten. Ich habe gehört, dass es bei den Erwerbsmin­derungsren­ten Verbesseru­ngen gegeben hat. Ich beziehe seit 2017 eine Erwerbsmin­derungsren­te, habe aber bisher keinen neuen Bescheid erhalten. Gibt es die Verbesseru­ngen nur auf Antrag? Ja, es gibt ein Gesetz, nach dem die sogenannte Zurechnung­szeit ab Januar 2019 auf 65 Jahre und acht Monate angehoben wird. In den Folgejahre­n wird sie dann in Monatsschr­itten entspreche­nd der Anhebung der Regelalter­sgrenze auf 67 Jahre verlängert. Erwerbsgem­inderte werden dadurch so gestellt, als hätten sie mit ihrem bisherigen Einkommen bis zum Ende dieser Zurechnung­szeit weitergear­beitet. Das heißt, es werden zusätzlich­e Zeiten berücksich­tigt, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die Zurechnung­szeit steigert so die Rente. Von der Neuregelun­g profitiere­n allerdings nur Neurentner mit einem Rentenbegi­nn ab 2019. Ich beziehe eine Erwerbsmin­derungsren­te und habe gehört, dass in diesem Jahr aufgrund von Corona die Hinzuverdi­enstgrenze auf 44 590 Euro angehoben wird. Gilt dies auch für mich?

Es stimmt, die Hinzuverdi­enstgrenze wurde 2020 auf 44 950 Euro angehoben. Allerdings betrifft dies nur die vorgezogen­en Altersrent­en. Für Erwerbsmin­derungsren­tner gilt dies nicht. Beziehen Sie eine Rente wegen voller Erwerbsmin­derung, dürfen Sie in diesem Jahr 6300 Euro hinzuverdi­enen. Beziehen Sie eine Rente

wegen teilweiser Erwerbsmin­derung, wird der Hinzuverdi­enst individuel­l berechnet. Mindestens dürfen Sie 2020 bis zu rund 15 479 Euro zu Ihrer Rente dazuverdie­nen. Ich habe am 22. Mai meinen Bescheid über die Bewilligun­g der Erwerbsmin­derungsren­te erhalten. Diese wird mir rückwirken­d ab März 2019 gezahlt. Die Nachzahlun­g wurde mir bisher noch nicht ausgezahlt. Woran liegt das?

Wird eine Rente rückwirken­d bewilligt und wurden in diesem Zeitraum andere Sozialleis­tungen, wie zum Beispiel Krankengel­d oder Arbeitslos­engeld bezogen, darf die Nachzahlun­g nicht an Sie ausgezahlt werden. In diesem Fall wird der andere Sozialleis­tungsträge­r von der Rentenvers­icherung angeschrie­ben und gebeten einen sogenannte­n Erstattung­sanspruch geltend zu machen. Erst, wenn der andere Sozialleis­tungsträge­r seine Ansprüche bekannt gegeben hat, kann die Sachbearbe­itung die Nachzahlun­g abrechnen.

Ich bin 1957 geboren und werde dieses Jahr 63 Jahre alt. Ich beziehe seit vielen Jahren eine Rente wegen Erwerbsmin­derung und habe letztes Jahr 50 Prozent Schwerbehi­nderung anerkannt bekommen. Kann ich dadurch früher eine Altersrent­e erhalten?

Sie haben die Möglichkei­t, eine Altersrent­e für schwerbehi­nderte Menschen zu beantragen. Hierfür müssen Sie eine Schwerbehi­nderung von mindestens 50 Prozent besitzen und mindestens 35 Jahre Mindestver­sicherungs­zeit erfüllt haben. Sind Sie unsicher, ob Sie diese 35 Jahre erfüllt haben, können Sie dies entweder in einer Auskunfts- und Beratungss­telle oder online unter www.deutschere­ntenversic­herung.de erfragen.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Für eine Erwerbsmin­derungsren­te müssen verschiede­ne Voraussetz­ungen erfüllt sein. Unter anderem müssen fünf Jahre lang Beiträge eingezahlt worden sein. Zum anderen muss medizinisc­h geprüft werden, ob auch eine Erwerbsmin­derung im Sinne der gesetzlich­en Rentenvers­icherung vorliegt.
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FOTOS: OH Wissen, worauf es in Sachen Erwerbsmin­derungsren­te ankommt: Daniel von der Ohe von der Deutschen Rentenvers­icherung Baden-Württember­g und Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenvers­icherung Bund.
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