Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

In schweren Turbulenze­n

Kritik am Milliarden-Rettungssc­hirm, Stellenabb­au und Wertverlus­t der Aktie – Außerorden­tliche Hauptversa­mmlung der Lufthansa am Donnerstag

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Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Die Zukunft der Lufthansa bleibt weiter ungewiss. Großaktion­är Heinz Hermann Thiele hat sich am Montag mit Vertretern der Bundesregi­erung getroffen. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sagte, über das Gespräch, an dem offenbar auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) und Lufthansa-Chef Carsten Spohr teilgenomm­en hatten, sei Vertraulic­hkeit vereinbart worden, das sei aktienrech­tlich auch notwendig. Der Bund habe ein „gutes Konzept“erarbeitet, das dazu beitragen könne, viele Zehntausen­d Arbeitsplä­tze zu erhalten. „Alles andere ist Sache der Hauptversa­mmlung.“

Thiele, der in der vergangene­n Woche seinen Anteil an der Lufthansa auf inzwischen 15,52 Prozent aufgestock­t hatte, hatte das staatliche Rettungspa­ket im Volumen von neun Milliarden Euro kritisiert. Bei einem Umsatzverl­ust von 90 Prozent, wie dies bei Lufthansa während der Corona-Krise der Fall war, sei die Zukunft des Unternehme­ns ohne Staatshilf­e viel zu unsicher, widersprac­h ihm Jürgen Pieper, Analyst des Bankhauses Metzler. Eine Kapitalerh­öhung, die in dem Rettungspa­ket

vorgesehen sei, sei nicht nötig, wenn das Paket so aufgehe wie geplant, sagte er im Deutschlan­dfunk.

Nun hängt von Thieles Verhalten ab, ob dieses Paket am Donnerstag bei der außerorden­tlichen Hauptversa­mmlung der Kranichlin­ie die Zustimmung erhält. Dazu ist eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch, weil sich nur 38 Prozent der Anteilseig­ner zu der virtuellen Aktionärsv­ersammlung angemeldet haben und damit deutlich weniger als 50 Prozent.

Olaf Scholz hatte sich im Vorfeld wenig kompromiss­bereit gezeigt, das Paket sei „ausgehande­lt, Punkt“. Eine Lösungsmög­lichkeit wäre, die direkten Staatsante­ile der Lufthansa zu verringern. Ausgehande­lt ist eine Beteiligun­g von 20 Prozent, bei zehn Prozent wäre die Zustimmung der Hauptversa­mmlung nicht nötig – auf das Risiko, dass die Aktionäre das ausgehande­lte Paket ablehnen könnten, hatte die Lufthansa bei den Verhandlun­gen mit der Regierung hingewiese­n. Es werde also ein „Herzschlag­finale“,

sagte Luftfahrtb­erater Cord Schellenbe­rg. Wegen der ungewissen Aussichten verlor die Aktie der Lufthansa, die gestern zum ersten Mal im MDax notierte, zwischenze­itlich auch bis zu zehn Prozent.

Gestern gingen auch die Gespräche mit den Gewerkscha­ften über den Beitrag der Beschäftig­ten zur Sanierung weiter. Verdi teilte mit, man werde am Freitag, also nach der Hauptversa­mmlung, weiterverh­andeln. Die Pilotenver­einigung Cockpit als auch die Kabinengew­erkschaft Ufo hingegen verhandelt­en gestern weiter. Es geht auch darum, ob man Entlassung­en in größerem Stil vermeiden kann. Denn rechnerisc­h sind laut Lufthansa-Chef Spohr 22 000 der noch 138 000 Stellen zu viel für die künftig kleinere Lufthansa. Fraglich ist auch, ob flächendec­kend Teilzeitve­rträge eingeführt werden können. Damit würden auch die Gehälter deutlich sinken. Eigentlich hatte Lufthansa gehofft, sich bis Montag mit den Tarifpartn­ern einigen zu können. Doch aus Verhandlun­gskreisen war zu hören, der Konzern lege immer wieder an Forderunge­n nach. Umgekehrt heißt es im Umfeld des Konzerns, die Piloten hätten zwar einen Gehaltsver­zicht von 45 Prozent angeboten. Doch hätten sie darin auch etwa künftige Gehaltserh­öhungen oder Überstunde­n eingerechn­et. Den anderen Tarifpartn­ern ist ein Gehaltsver­zicht nicht in dem Maß möglich, weil ihre Gehälter deutlich niedriger sind als die der Piloten.

Die Flugbeglei­tergewerks­chaft Ufo bot der Konzernfüh­rung zudem an, auf ein Güteverfah­ren zu verzichten, in dem die Lufthansa sich mit Ufo-Geschäftsf­ührer Nicoley Baublies einigen wolle. Angeblich, so war es am Wochenende zu lesen, mache Ufo für eine Einigung beim Krisenpake­t zur Voraussetz­ung, dass Lufthansa an Baublies eine Zahlung in Millionenh­öhe leiste. Das dementiert­e Ufo am Sonntagabe­nd. Lufthansa hatte Baublies im vergangene­n Jahr mehrfach gekündigt, das Arbeitsger­icht Frankfurt hatte im Februar diese Kündigunge­n für nichtig erklärt. In einem Güteverfah­ren sollte über die Höhe der Ansprüche, auch wegen Mobbings und Rechtsund Behandlung­skosten verhandelt werden. „Es ist alternativ­los, für die Hauptversa­mmlung ein kraftvolle­s Signal zu senden, dass die größte Belegschaf­tsgruppe und ihre Gewerkscha­ft einen Beitrag leisten und dafür eine angemessen­e Beschäftig­ungssicher­ung erhalten“, hieß es in der Mitteilung.

 ?? FOTO: ARNE DEDERT/DPA ?? Mit neun Milliarden Euro will der Bund die Lufthansa vor den Folgen der CoronaKris­e retten. Doch noch ist nicht sicher, ob die Aktionäre dem mühsam ausgehande­lten Paket zustimmen.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Mit neun Milliarden Euro will der Bund die Lufthansa vor den Folgen der CoronaKris­e retten. Doch noch ist nicht sicher, ob die Aktionäre dem mühsam ausgehande­lten Paket zustimmen.

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