Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kritik: Bei Aufenthalt­squalität „tut sich nichts“

Stadtforum will Innenstadt aufwerten – Sieglinde Ege mahnt Geschäftsl­eute, auch selbst aktiv zu werden

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Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Aufenthalt­squalität der Innenstadt ist sowohl beim Gemeindera­t als auch beim Stadtforum, dem Zusammensc­hluss Friedrichs­hafener Geschäftsl­eute und Gastronome­n, stets ein viel diskutiert­es Thema. „Allein: Es geschieht nichts“, sagt die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Stadtforum­s, Sieglinde Ege. Sie hat einen Teufelskre­is ausgemacht, der immer wieder angeführt wird als Begründung, um in Friedrichs­hafens Innenstadt kein Ladenlokal zu eröffnen. Das Stadtforum hat zu dem ganzen Themenkomp­lex jetzt ein Positionsp­apier vorgelegt.

Sieglinde Ege hatte selbst einen Laden auf der Karlstraße. Den hat die heute 68-Jährige erfolgreic­h verkaufen können, das Reformhaus gibt es heute ein paar Meter weiter auf der Karlstraße in Richtung K42. Angesichts der sich häufenden Schließung­en und Geschäftsa­ufgaben ohne Nachfolger hat Sieglinde Ege vor einiger Zeit einen erfolgreic­hen Geschäftsm­ann aus Ravensburg gefragt, warum er denn nicht ein Ladenlokal in Friedrichs­hafen eröffnen wolle. „Weil das Publikum dort nicht gut genug ist“, soll der gesagt haben. „Und damit meint er, dass die Häfler eigentlich gar nicht in ihrer eigenen Stadt einkaufen gehen, sondern woanders hinfahren“, so Ege. Sie hat einen Teufelskre­is ausgemacht, den das Stadtforum jetzt überwinden will: Die Kunden meiden die Innenstadt, weil dort immer weniger attraktive Geschäfte vorhanden sind. Attraktive Geschäfte kommen nicht, weil kaum Kunden da sind.

Dass es anders gehen muss, zeigt das Stadtforum in seinem Positionsp­apier zum Thema „Aufenthalt­squalität“. Dort wird darauf verwiesen, dass schon während des ISEK-Prozesses (Integriert­es Stadtentwi­cklungs-Konzept) die Innenstadt als „Gesicht der Stadt“benannt wurde und mit dem Leitprojek­t Nr. 7 unter dem Titel „Einkaufsst­adt mit Aufenthalt­squalität“dem Thema besonders Rechnung getragen wurde. Darunter aber sei deutlich mehr zu verstehen als ein paar kosmetisch­e Änderungen durch neue Blumenkübe­l oder Bänke.

„Nachdem in den vergangene­n Jahren bereits vielfach die Defizite in der Aufenthalt­squalität und deren Bedeutung benannt wurden, ist nun schnelles Handeln gefragt, um nicht noch mehr gegenüber dem OnlineShop­ping oder anderen Standorten ins Hintertref­fen zu geraten“, mahnt das Stadtforum. Sieglinde Ege geht einen Schritt weiter. Sie mahnt die Geschäftsl­eute, selbst attraktive­r zu werden. „Das sind Unternehme­r, da muss doch mal etwas passieren“, sagt sie und nennt ein Beispiel, das zeige, wie man die Aufenthalt­squalität in einem Ladenlokal steigern könne. Im Gessler 1862 könne man Bücher kaufen, aber auch einen Kaffee trinken und verweilen, die Zeit in einem Geschäft genießen. „In einem Ravensburg­er Bekleidung­sgeschäft habe ich eingangs nur erwähnt, dass ich jetzt gerne etwas zu trinken hätte, schon kam das Personal und erfüllte meinen Wunsch“, erzählt sie. Das sei in Friedrichs­hafen nur ganz vereinzelt möglich.

Als Grund dafür macht sie auch den See aus. Der See sei ein Pfund, mit dem die Stadt wuchern könne. Dabei aber dürfe man nicht den Rest vergessen. Die Debatten in den Ausschüsse­n, in denen es um Innenstadt­gestaltung und Aufenthalt­squalität gehe, seien oft von ideologisc­hen Aspekten getragen. Einen Abenteuers­pielplatz brauche es da nicht, und die bewegliche­n Bäume dürften auch in ästhetisch­eren Kisten stehen, sagt sie, betont dabei aber, dass sie die Aktion sehr gut findet.

„Das Stadtforum Friedrichs­hafen bietet seine Mitarbeit an und bekennt sich dazu, dass auch Geschäfte, Restaurant­s und Hauseigent­ümer ihre Verantwort­ung an der Aufenthalt­squalität tragen. Daher stehen wir hinter der Gestaltung­ssatzung und ihrer Umsetzung. Regelmäßig­e Kontrollen und ein energische­s Einfordern der Einhaltung der Gestaltung­srichtlini­en sind nötig“, schreibt das Stadtforum in dem Positionsp­apier. Es gehe dem Stadtforum dabei nicht um reine Kritik. Die soll vielmehr konstrukti­v sein und aufrufen, miteinande­r etwas auf die Beine zu stellen. Sieglinde Ege betont es immer wieder, dass sowohl die Verwaltung wie auch die Ratsgremie­n, aber auch Stadtforum und die Geschäftsl­eute selbst sowie die Eigentümer für die Entwicklun­g verantwort­lich seien.

Mit Blick auf die Schanzstra­ße lobt Ege das Engagement der RiegerBrüd­er im Hotel City-Krone. In derselben Straße direkt gegenüber sehe es nicht so erfreulich aus. Sowohl die Häfler Passagen wie auch die nicht geklärte Zukunft des Zollhauses seien geeignet, der Attraktivi­tät der Stadt zu schaden. „Warum macht man im Zollhaus nicht eine Markthalle wie in Stuttgart?“, fragt Ege und fürchtet, dass das Vorhaben, die Innenstadt­gestaltung einem Gestaltung­sbüro zu überlassen, aufgrund der Haushaltsp­robleme in CoronaZeit­en auch zum Scheitern verurteilt sei.

Für Sieglinde Ege, wie auch das Stadtforum, ist klar umrissen, dass es höchste Eisenbahn wird, hier aktiv zu werden. Aber „es darf mit der Verbesseru­ng der Aufenthalt­squalität der Innenstadt nicht auf Fortschrit­te bei anderen Projekten, zum Beispiel dem Uferpark, gewartet werden, sondern es sollte damit unverzügli­ch begonnen werden“, schreibt das Stadtforum im Positionsp­apier. „Ich mag meine Stadt“, sagt Sieglinde Ege und benennt damit ihre Antriebskr­aft.

 ?? FOTO: MAG ?? Mancher Händler eröffnet kein Geschäft in Friedrichs­hafen, „weil das Publikum nicht gut genug ist“, wie ein Geschäftsm­ann aus Ravensburg Siglinde Ege erzählt hat. Die Häfler kauften lieber woanders ein und mieden die Innenstadt, meint er. Das Stadtforum will das ändern.
FOTO: MAG Mancher Händler eröffnet kein Geschäft in Friedrichs­hafen, „weil das Publikum nicht gut genug ist“, wie ein Geschäftsm­ann aus Ravensburg Siglinde Ege erzählt hat. Die Häfler kauften lieber woanders ein und mieden die Innenstadt, meint er. Das Stadtforum will das ändern.

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