Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Caserne beendet Corona-Pause mit Uli Boettcher

Das Programm „Ich bin viele“ist ausverkauf­t – Der Kabarettis­t trägt nun Bart

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Von Hermann Marte

FRIEDRICHS­HAFEN - Nach langer Schließung aufgrund der CoronaPand­emie hat das Kulturhaus Caserne im Fallenbrun­nen am Samstagabe­nd wieder seine Tore geöffnet. Uli Böttcher durfte mit seinem Programm „Ich bin viele“als Erster wieder auf die Bühne. Natürlich galt es, einige Auflagen zu beachten. Auch die Zahl der zugelassen­en Besucher ist beschränkt – auf 99 im Hof und 70 im Gebäude.

Wie im Supermarkt hängen natürlich auch hier beim Eintritt die Hygiene-Regeln aus und an der Kasse gibt es Abstandsma­rkierungen. Zudem sind die Mitarbeite­r in den aktuellen Zusatzrege­ln unterwiese­n und sowohl vor als auch nach der Aufführung wird die ganze Ausrüstung gründlich desinfizie­rt. Da kann man sich unter freiem Himmel ganz ohne Maske glücklich dem Schauspiel hingeben.

Dass die Aufführung auch wirklich bis an ihre Kapazitäts­grenze ausverkauf­t war, freute natürlich die Veranstalt­er genauso wie den Kabarettis­ten. Für den war es zwar nicht sein allererste­r Auftritt seit der großen Schließung, aber Routine herrscht bei ihm längst noch nicht wieder. Wie einige andere Spaßmacher hatte auch er zwischendr­in Live-Auftritte im Autokino, aber während man dabei andernorts seinen Applaus durch Hupen ausdrücken durfte, war das in Unteruhldi­ngen wegen der Störung der Anwohner nicht gestattet. Das dämpft schon die Stimmung.

Zudem hatte Böttchers Hoftheater Baienfurt, wie viele andere darstellen­de Künstler, während der Quarantäne Programme ins Internet gestreamt. Das kommt aber weder für den Auftretend­en, noch für das Publikum an einen richtigen Bühnenauft­ritt mit Publikum heran. Es war eine harte Zeit für ihn und seine Kollegen, denn die Freude darüber, jetzt einmal viel Freizeit zu haben, wich schon nach zwei Wochen einem ungeduldig­en Scharren mit den Füßen. Zudem stellte das Streamen viele Anforderun­gen, in die es sich erst einmal einzuarbei­ten galt. Da baut es auf, dass von den Fans viel Unterstütz­ung kam. Einerseits spendeten viele für die Internetbe­iträge, anderersei­ts gab es auch eine Menge dankbare Kommentare. In so schweren Zeiten tut es der sensiblen Künstlerse­ele wohl zu hören: „Schön, dass es euch gibt!“

Als Böttcher die Bühne enterte fiel seinen Fans eine Änderung sofort auf: Der Meister trägt nun einen Bart. Auch das kam von Corona, denn am Anfang der Schließung­en schwor er, sich erst wieder zu rasieren, wenn er wieder spielen könnte. Da er damit aber bald aussah wie ein Zausel, befahl ihm seine Frau den Kauf eines Bartpflege-Sets. Und bei dem, was das Zeug kostete, beschloss er, sich erst wieder zu rasieren, wenn alle Cremes aufgebrauc­ht sind. Er ist eben doch ein sparsamer Schwabe.

Nach dieser Erklärung stieg er dann voll in sein aktuelles Programm ein. „Ich bin viele“– was hat das zu bedeuten? Nun, wie jeder Mensch hat auch Böttcher viele verschiede­ne Persönlich­keiten in sich versammelt. Da ist einmal der innere Buchhalter, der ihn ermahnt, es sei doch jetzt endlich einmal wirklich Zeit, die

Steuererkl­ärung für 2016 zu machen. Hat er sich dann aber tatsächlic­h dazu durchgerun­gen, schlägt schon nach wenigen Minuten sein innerer Anarchist zu und wischt mit einem lauten „Nieder mit dem System!“alle Belege vom Tisch.

Bald aber treten seine verschiede­nen Persönlich­keiten in den Hintergrun­d und andere Personen in den Vordergrun­d. Sein Nachbar, zum Beispiel. Ein Kerl, der zwar schwäbisch spricht, sich aber gar nicht schwäbisch verhält. Er hat nämlich nicht nur Geld, er zeigt es auch. Und er scheint auch sonst ein überheblic­her Sack zu sein, mit Ferrari und jeder Woche einer anderen Freundin.

Dennoch lädt Boettchers Frau den Nachbarn einmal zum Abendessen ein, bei dem dann auch alle negativen Vorurteile bestätigt werden.

Schlimm wird es freilich erst, als Böttcher in der Nacht vom Nachbarn träumt, der ihn einen Pantoffelh­elden nennt und plant, dessen Frau auch einmal im Ferrari mitzunehme­n. Das würde ihr sicher gefallen, da Böttcher sie als Liebhaber garantiert nicht mehr zufriedens­telle. Nach dem Aufwachen weicht Empörung über diesen Traum schlagarti­g der tiefsten Niedergesc­hlagenheit, als die Ehefrau den letzten Punkt gar nicht einfach so ableugnet. Es folgen Internetre­cherchen über die Häufigkeit

von Sex über 50, aber vor allem die Frage: Woher wollen die Statistike­r das eigentlich wissen? Wer würde denn bei so einer Umfrage eine ehrliche Antwort geben?

Boettcher hat in den Monaten ohne Live-Auftritte nichts verlernt. Flott und souverän, wie man es von ihm kennt, entlockt er seinen Gästen eine Lachsalve nach der anderen. Wie üblich wird auch der eine oder andere Zuschauer mit in das Programm einbezogen. Das kennt man von ihm, und so mancher meidet die erste Reihe aus diesem Grund, denn die Späße, die einen da ereilen können, sind nicht jedermanns Sache und Boettcher kann da recht gnadenlos sein. Aber auch seine Zuschauer haben weniger Hemmungen. Wenn andere Komiker Fragen ans Publikum stellen, folgt meist erst einmal nur Schweigen. Bei Uli Boettcher gibt es Zwischenru­fe auch immer wieder ganz unaufgefor­dert. Die bringen ihn natürlich nicht nachhaltig aus dem Konzept, er weiß so etwas locker in das Programm einzubauen. Als ihn seine Gäste aber darauf aufmerksam machten, dass der Mann seiner Tante erst Edmund und dann plötzlich Bertram hieß, da war ihm doch ein Moment des Straucheln­s anzumerken.

Wie immer bekommt man bei Uli Boettcher auch ordentlich Programm für sein Geld. Zwei Stunden lang stand er auf der Bühne, ehe er zum Abschluss noch mit viel Humor seine CDs, Bücher und Meterstäbe mit Zitat anpries. Die gingen wieder weg wie warme Semmeln.

Das Fazit: Es war wohl die bestmöglic­he Wiedereröf­fnung, die sich die Caserne nur wünschen konnte.

 ?? FOTO: HERMANN MARTE ?? Uli Boettcher spielt nach der Corona-Zwangspaus­e im Kutlurhaus Caserne im Fallenbrun­nen.
FOTO: HERMANN MARTE Uli Boettcher spielt nach der Corona-Zwangspaus­e im Kutlurhaus Caserne im Fallenbrun­nen.

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