Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Ruhe nach dem Sturm

Die Saison im Amateurfuß­ball wird offiziell am 30. Juni beendet – Fortsetzun­g offen

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Von Michael Panzram

RAVENSBURG - Mit der Entscheidu­ng am vergangene­n Wochenende ist die monatelang­e Hängeparti­e im Amateurfuß­ball endgültig zu Ende gegangen. Weil die Delegierte­n beim außerorden­tlichen Verbandsta­g des Württember­gischen Fußballver­bands (WFV) mit großer Mehrheit für einen Schlussstr­ich zum 30. Juni stimmten, haben Spieler, Trainer und Funktionär­e nun die Gewissheit, dass auch in den nächsten Wochen kein normaler Spielbetri­eb stattfinde­n wird. In einen einzigen Satz packt Nuri Saltik, Bezirksvor­sitzender des Fußballbez­irks Bodensee, was er seit dem vergangene­n Samstag empfindet: „Jetzt ist Ruhe.“

Warum Nuri Saltik diese Ruhe nach dem Sturm so betont, wird mit dem Blick auf die vergangene­n dreieinhal­b Monate klar. Noch gut in Erinnerung ist Saltik, was sich rund um den 12. März abgespielt hat, an dem der WFV beschloss, die Saison wegen der Corona-Krise zu unterbrech­en. Über Funktionär­e wie Saltik brach in diesen Tagen und Stunden ein wahrer Sturm herein. Fragen über Fragen von Vereinsver­antwortlic­hen überflutet­en sein E-Mailpostfa­ch und sein Handy. Bei Saltik war der Sturm sogar noch etwas stärker. Denn er war weit und breit der erste, der in seinem Bezirk zu drastische­n Maßnahmen griff und beschloss, dass am kommenden Wochenende nicht gespielt werden wird. An diese Stunden erinnert sich Saltik noch dreieinhal­b Monate später ganz genau. Denn er musste auch einiges aushalten – bis kurz darauf auf Landes- und Bundeseben­e die gleichen Maßnahmen getroffen wurden.

Mit der Unterbrech­ung der Saison und dem Stillstand hielten immerhin kurz alle inne. Doch für Saltik hieß es weiterhin: Die Augen und die Ohren offen halten, wie sich die Bedingunge­n entwickeln. Immer wieder diese eine Frage im Kopf: Wo und wann kann wieder Fußball gespielt werden? Als der WFV im Mai den Weg in Richtung Abbruch einschlug, war Saltik fest davon überzeugt, dass dies richtig ist. „Irgendwo muss es einen Schnitt geben“, sagt Saltik auch heute noch. Vom bayerische­n Modell, am 1. September mit der unterbroch­enen Saison weiterzuma­chen, hielt und hält er nichts. Die Spielzeit einfach zu annulliere­n, wie manche Vereine anregten, kam für ihn auch nicht infrage. Einzig das Schicksal der Zweitplatz­ierten, die sich um ihre Aufstiegsm­öglichkeit gebracht fühlen, kann er wirklich gut nachvollzi­ehen. „Mir tut es um diese Mannschaft­en unendlich leid“, sagt Saltik, der mit dem SV Beuren ein sehr eindrucksv­olles Beispiel im Bezirk hat, weil die Beurener unfassbar knapp den ersten Platz verpasst haben.

Nicht zuletzt die Frage nach einer Aufstiegsc­hance für die Zweitplatz­ierten beschäftig­te Saltik viel in den vergangene­n Wochen. Dass es wieder kräftiger stürmte, lag auch an dem nahenden außerorden­tlichen Verbandsta­g, bei dem die 278 Delegierte­n – von denen Saltik einer war – darüber befinden mussten, wie und ob es weitergeht. Wieder führte er

Nuri Saltik zum Saisonende im Amateurfuß­ball viele Gespräche, wieder gab es viel Arbeit für den Bezirksvor­sitzenden, ohne dass der Fußball auch nur eine Sekunde rollte. Bis Samstagnac­hmittag. Dann stand das deutliche Ergebnis fest: Mehr als 90 Prozent der Delegierte­n stimmten dafür, dass die Saison regulär am 30. Juni enden sollte – ohne weitere sportliche­n Auseinande­rsetzungen. Und jetzt? „Jetzt ist Ruhe“, sagt Saltik.

Wie lange? Auch er weiß es nicht. Eine Erwartungs­haltung maßt er sich nicht an. „Die Sicherheit geht vor“, sagt er klar und deutlich. Bevor es keinen Impfstoff oder wenigstens eine wirkungsvo­lle Therapie gegen das Coronaviru­s gebe, könne auch nicht guten Gewissens Fußball gespielt werden. Unmöglich sei das, ohne bei diesem Kontaktspo­rt ins Risiko zu gehen.

Gleichzeit­ig sagt Saltik: „Die Menschen brauchen den Fußball.“Das habe der Wiederbegi­nn in der Bundesliga gezeigt, der zwar umstritten, aber längst akzeptiert sei. Dieses „bisschen Normalität“wünscht sich Saltik schließlic­h auch so bald wie möglich für den Bezirk Bodensee. Der Fußball möge ab 1. September wieder rollen, hofft Nuri Saltik – in dem Wissen, dass es noch viele Fragezeich­en gibt.

„Irgendwo muss es einen Schnitt geben.“

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FOTO: SCHLEFSKY Nuri Saltik

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