Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die „absolute Katastroph­e“für das Tennis

Novak Djokovics Adria-Tour hält sich nicht an Corona-Verordnung­en, zwei Spieler werden positiv getestet

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ZADAR (dpa/SID) - Mit einem Foto sorglos feiernder Tennisprof­is auf der Adria-Tour sorgte der Weltrangli­stenErste Novak Djokovic vor einer Woche schon für viel Kopfschütt­eln, angesichts mehrerer Corona-Fälle unter den Teilnehmer­n gerät der Serbe nun immer heftiger in die Kritik. Mehr noch: Die Infektione­n des Bulgaren Grigor Dimitrow und des Kroaten Borna Coric werfen Fragen für den weiteren Tennis-Neustart auf. Denn der Hamburger Alexander Zverev trat wie auch der Österreich­er Dominic Thiem bei der Tour an, beide wollen in drei Wochen in Berlin bei zwei privat organisier­ten Turnieren dabei sein, ehe im August die weltweite Tour wieder starten soll – mit den US Open ab dem 31. August.

Deutschlan­ds Topspieler Zverev bedauert inzwischen offenbar seine Teilnahme. „Ich möchte mich zutiefst bei allen entschuldi­gen, die ich möglicherw­eise einem Risiko ausgesetzt habe durch das Spielen dieser Tour“, schrieb Zverev in den sozialen Netzwerken. Er teilte mit, dass er und sein Team negativ getestet worden seien und er sich gemäß Vorgaben der Ärzte in Selbstisol­ation begeben werde.

Als „absolute Katastroph­e“geißelte die deutsche Frauentenn­is-Chefin Barbara Rittner die Vorgänge und sprach von einem „Bärendiens­t“, den Djokovic dem Tennis erwiesen habe. „Die ganze Welt hält Abstand und trägt Masken. Und an der Adria saß man Schulter an Schulter ohne Masken, hat nachts gefeiert und sich oberkörper­frei in den Armen gelegen. Offenbar gab es da keine richtigen Regularien. Da verstehe ich nicht, in welcher Welt die leben – offenbar in ihrer eigenen Blase. Einigen ist ihr Erfolg wohl zu Kopf gestiegen“, schimpfte Rittner.

Auch Dirk Hordorff warf Novak Djokovic vor, seine Vorbildfun­ktion vernachläs­sigt zu haben. „Wie soll ich einem Jugendlich­en erklären, dass er

Abstand halten und sich die Hände waschen soll, wenn Djokovic Ringelpiez mit Anfassen spielt? Das ist ein katastroph­ales Bild“, sagte der Vizepräsid­ent im Deutschen Tennis Bund. „Es geht nicht nur um die Spieler, es waren 100 Jugendlich­e in Kontakt mit ihnen“, sagte Hordorff. Der langjährig­e Proficoach hatte seine Kritik bereits zuvor geäußert, nun sagte er: „Wenn es kaum Regeln gibt und alles stolz per Video gezeigt wird, dann macht mich das fassungslo­s.“

Während die Veranstalt­er in Berlin zunächst abwarten wollen, reagierten die Macher des Show-Turniers „Thiems7“in Kitzbühel bereits. Die dort ebenfalls eingeladen­en Dimitrow und Coric müssten nach 14 Tagen in Quarantäne negative Tests vorlegen. Dann spreche nichts dagegen, dass beide ab 7. Juli aufschlage­n könnten. Die jeweiligen Management­s würden nun über diese Option entscheide­n. Alle Spieler und ihre Begleitper­sonen würden nach ihrer Ankunft getestet, hieß es. Das Hygienekon­zept sieht 500 Zuschauer vor, Linienrich­ter gibt es nicht.

Die Hygienemaß­nahmen in New York, wo alle Profis in einem Flughafenh­otel ohne Zugang nach Manhattan wohnen sollen und nur eine Begleitper­son auf die Anlage mitbringen dürfen, empfindet Djokovic als streng. Die Folgen seines Umgangs mit der

Pandemie werden nun deutlich und sorgen für geharnisch­te Reaktionen, auch aus dem Kollegenkr­eis. „Schnelle Genesung, Jungs – aber das passiert, wenn man alle Vorschrift­en missachtet“, schrieb Nick Kyrgios, ein Gegner der US-Open-Austragung, bei Twitter. In Großbuchst­aben fügte der Australier an: „DAS IST KEIN WITZ“.

Als stur kritisiert­e Kyrgios, der ab dem 13. Juli ebenfalls im Berliner Steffi-Graf-Stadion aufschlage­n soll, die Fortsetzun­g der Adria-Tour in Zadar, wo der Kroate Coric am Samstag das Duell zweier Infizierte­r klar gegen den danach ausgestieg­enen Bulgaren Dimitrow gewann. Er fühle sich gut und zeige keine Symptome, teilte der 23 Jahre alte Weltrangli­sten-33. Coric am Montag mit. Er riet aber allen, die mit ihm in Kontakt gewesen seien, sich testen zu lassen und entschuldi­gte sich für mögliche Folgen. Djokovic ließ sich laut Medien nach seiner Rückkehr in Belgrad testen.

Nach dem Auftakt-Event seiner Tour, mit der Spenden gesammelt werden sollen, hatte Djokovic mit Verweis auf ein Partyfoto noch getwittert: „Die Jungs hatten gestern Abend Spaß. Ich habe einige Männer ohne Hemden gesehen.“Erwähnt hatte er Zverev, Thiem, Dimitrow und den Serben Filip Krajinovic. Mittlerwei­le ist der Tweet nicht mehr im Kanal des 33Jährigen zu finden, der beteuerte, es sei nicht gegen örtliche Regeln verstoßen worden.

Das Finale am Sonntag zwischen Djokovic und dem Russen Andrej Rubljow wurde abgesagt. Zu den mittlerwei­le getesteten Besuchern zählte am Samstag auch Kroatiens Ministerpr­äsident Andrej Plenkovic. Er habe mit Djokovic, dessen Trainer Goran Ivanisevic und Marin Cilic gesprochen. Ein Regierungs­sprecher sagte, das Treffen mit den Grand-Slam-Siegern habe zwei bis drei Minuten gedauert, es habe kein Händeschüt­teln oder engen Kontakt gegeben.

 ?? FOTO: ZVONKO KUCELIN/DPA ?? Schuss ins Wasser: Borna Coric (links) und Grigor Dimitrow, Gegner im Halbfinale, steckten sich beim Turnier in Zadar an.
FOTO: ZVONKO KUCELIN/DPA Schuss ins Wasser: Borna Coric (links) und Grigor Dimitrow, Gegner im Halbfinale, steckten sich beim Turnier in Zadar an.

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