Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Alkoholver­bote, Kameras und schnellere Strafverfa­hren

Debatte über Konsequenz­en aus der Krawallnac­ht – Strobl unzufriede­n mit Stadtverwa­ltung

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Von Katja Korf

STUTTGART - Wie lassen sich Randale wie jene vom vergangene­n Wochenende in Stuttgart verhindern? Dort zogen Hunderte meist junger Menschen durch die Straßen, beschädigt­en 40 Geschäfte und verletzten 19 Polizisten. Nun suchen Landesregi­erung und die Stadt Stuttgart nach Möglichkei­ten, solche Zwischenfä­lle künftig zu verhindern. Was jetzt passieren soll.

Alkoholver­bote

Bis Ende 2017 durften Tankstelle­n und Supermärkt­e in Baden-Württember­g ab 22 Uhr keinen Alkohol verkaufen. Die grün-schwarze Landesregi­erung hob das Verbot auf. Dafür können Städte und Gemeinden an bestimmten Orten verbieten, dass Alkohol getrunken wird. Das gilt zum Beispiel an der Uferpromen­ade in Friedrichs­hafen. Dort zog man zuletzt eine weitgehend positive Bilanz, die Zahl von Verstößen ging zurück. Kommunen beklagen, das Land lege die Hürden für solche Verbotszon­en zu hoch. So kämen etwa in kleinen Gemeinden selten regelmäßig jene 50 Personen zusammen, die als unterste Grenze für ein Konsumverb­ot gelten.

Sicherheit­spartnersc­haft

Über die Frage, was sich dahinter verbergen soll, entstand am Dienstag ein Disput zwischen Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU) und der Stadt Stuttgart. Strobl hatte der vom Grünen-Oberbürger­meister Fritz Kuhn geführten Verwaltung vorgeworfe­n, die Sicherheit

vernachläs­sigt zu zu haben. „Die Stadt Stuttgart muss selbst entscheide­n, ob sie die Dinge so hinnehmen will, wie sie sind“, sagte Strobl. Er werde nicht einfach mehr Polizisten nach Stuttgart schicken, die Stadt müsse mitziehen: „Wenn es eine Sicherheit­spartnersc­haft mit dem Land geben soll, wird es aber ohne Videokamer­as, Aufenthalt­s- und Alkoholkon­sumverbote nicht gehen. Gar nichts machen wäre zu wenig.“Der Ordnungsbü­rgermeiste­r der Stadt, Martin Schairer (CDU), sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, man prüfe, ob an bestimmten Punkten Videoüberw­achung eingeführt oder ein Verbot von Alkoholkon­sum verhängt werden könne. „Das geht nur, wenn es dafür eine Rechtsgrun­dlage oder eine polizeilic­he Lage gibt. Noch Mitte Februar war nach Einschätzu­ng der Polizei der Obere Schlossgar­ten kein Kriminalit­ätsbrennpu­nkt. Somit wären solche Maßnahmen völlig unverhältn­ismäßig gewesen. Nach den schrecklic­hen Ausschreit­ungen haben Stadt und Polizei eine fundamenta­l andere Lageeinsch­ätzung.“Die Stadt arbeite seit 1997 in einer Partnersch­aft mit der Polizei. Minister Strobl schwebt aber anderes vor. Als Beispiel nannte er Freiburg. Dort war die Sicherheit­spartnersc­haft Reaktion auf die Vergewalti­gung einer Studentin 2017. Das Land entsandte mehr als 30 zusätzlich­e Polizisten. Die Stadt gründete einen Ordnungsdi­enst, installier­te Videokamer­as. Laut Kriminalst­atistik sank die Zahl der Straftaten danach um ein Drittel.

Umstritten­e Brennpunkt­e

Der Zustand des Schlossgar­tens und des Schlosspla­tzes sind immer wieder Anlass für Kritik. Ordnungsbü­rgermeiste­r Schairer erinnerte daran, dass das Land als Eigentümer dort über die Hausordnun­g Vorgaben machen könne. Das hat die Landesregi­erung nach eigenen Angaben zuletzt im Mai 2020 getan. Laut zuständige­m Finanzmini­sterium werde dort explizit auf das Verbot nachhaltig­en Alkohol- und des Drogenkons­ums hingewiese­n. Es gebe rund um das Neue Schloss einen vom Land gezahlten Sicherheit­sdienst. Auf Anregung des Ministeriu­ms träfe man sich seit 2019 mit Polizei und Stadt, um die Probleme zu besprechen. Unter anderem wurde eine neue Beleuchtun­g installier­t, Teile des Schlosses werden videoüberw­acht

Jugendstra­frecht

Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) hatte vor den Stuttgarte­r Krawallen ein Konzept erarbeitet, um jungen Tätern beizukomme­n. Dieses hat die Ministerru­nde nach den Randalen nun außerplanm­äßig verabschie­det. So starten Modellproj­ekte in Stuttgart, Freiburg und Mannheim. Dort werden je zwei zusätzlich­e Justizmita­rbeiter dafür sorgen, dass mehr beschleuni­gte Verfahren durchgefüh­rt werden. Ziel ist es, Strafverfa­hren gegen junge Menschen nicht wie sonst bei geringeren Vergehen üblich schriftlic­h zu führen. Der Gedanke: Die Jugendlich­en sollen möglichst bald nach der Tat merken, dass diese nicht ohne Konsequenz­en bleibt. Eine Verhandlun­g, bei der sie selbst vor dem Richter stehen, soll eindrucksv­oll stärker abschrecke­n als eine per Post verhängte Strafe. Außerdem sollen Richter häufiger einen Warnschuss­arrest verhängen. Das ist möglich, wenn junge Täter nur eine Bewährungs­strafe bekommen, also nicht ins Gefängnis müssen. Ihnen kann dann ein Arrest auferlegt werden – diesen sitzen sie nicht im Knast ab, werden jedoch in einer Anstalt pädagogisc­h betreut.

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FOTO: SIMON ADOMAT/DPA Nach der Verwüstung der Stuttgarte­r Innenstadt, diskutiere­n Stadt und Landesregi­erung über die Folgen.

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