Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Verbraucher haben wenig Einfluss
Im Regal ist nicht erkennbar, aus welchem Betrieb das Fleisch stammt
Von Sebastian Heilemann
RAVENSBURG - Immer wieder werden Fälle dieser Art bekannt: Arbeiter von fleischverarbeitenden Betrieben leben in beengten Wohnungen, ihre Werkverträge mit Subunternehmern beinhalten überlange Arbeitszeiten und Niedriglöhne. Produkte aus solchen Unternehmen können Verbraucher nur schwer umgehen. In der Fleischtheke sind die Arbeitsbedingungen nicht erkennbar.
Einen Anhaltspunkt bietet ein ovales Kennzeichen, in dem ein Bundeslandkürzel und eine Betriebsnummer angeben ist. Mit diesen Informationen können Kunden in der OnlineDatenbank des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz nach dem Hersteller suchen. „Der Aufwand für den Verbraucher ist sehr hoch“, sagt Dario Sarmadi, Sprecher des Vereins Foodwatch, der sich für Lebensmittelqualität und Verbraucherschutz einsetzt. „Dabei gibt es viele Wenns und Abers.“
Zum einen gebe die Kennzeichnung nur Auskunft darüber, in welchem Betrieb das Fleisch zuletzt verarbeitet wurde. Wird das Nackensteak etwa nach dem Zerlegen in einem anderem Betrieb verpackt, wird nur die letzte Station angegeben. Manche Discounter drucken QR-Codes auf die Verpackungen, die der Verbraucher mit dem Smartphone scannen kann und so Informationen zur Herkunft des Fleischs erhält. Aber: „Sie können letzten Endes nicht in den Betrieb hineinschauen“, erklärt Sarmadi. Selbstverständlich gebe es auch im Discounter positive Beispiele für fleischverarbeitende Betriebe. Aber auch die seien im Kühlregal nicht erkennbar. „Sie können auch bei einem Bioprodukt nicht davon ausgehen, dass das Tier gesund gelebt hat“, sagt Sarmadi.
Neben dem Identifikationskennzeichen enthalten Lebensmittelverpackungen noch eine Pflichtangabe: einen Verantwortlichen mit Namen und Adresse. Aber: „Firmen haben die Wahl, ob sie Vermarkter, Importeur oder Hersteller nennen“, warnt etwa der Verbraucherschutz Brandenburg. Eine bewusste Entscheidung gegen Fleisch aus Betrieben mit prekären Arbeitsbedingungen ist für den Verbraucher so gut wie unmöglich. „In diesem Fall ist es so, dass man mit dem Einkaufskorb keine Politik machen kann“, sagt der Foodwatch-Sprecher. „Die Politik muss hier Standards setzen, sowohl für den Tierschutz, als auch den Schutz von Arbeitnehmern“, so Sarmadi.
In klassischen Metzgereien kommen Werkverträge praktisch nicht vor, heißt es seitens des deutschen Fleischerverbands. „Die Durchschnittsgröße dieser Betriebe liegt bei elf Mitarbeitern inklusive dem Meister“, sagt Verbandsgeschäftsführer Klaus Hühne. Handwerksbetriebe seien wegen ihrer Größe darauf angewiesen, Fachpersonal zu beschäftigen. „Das sind Allrounder. Die müssen von der Zerlegung bis zur Wurstherstellung alles können“, sagt Hühne. Mit angelernten Teiltätigkeiten sei nur bedingt etwas anzufangen.
„Das Problem ist, dass viele Menschen gar nicht die Möglichkeit haben, sich einen solchen Metzger auszusuchen, der sein Fleisch auch selbst zerlegt“, sagt der Foodwatch-Sprecher. Auch bei Metzgereien könne nicht ausgeschlossen werden, dass Fleisch anderer Hersteller über die Theke geht.