Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Niederlage mit Ankündigun­g

Partei von Präsident Macron dürfte bei der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen in Frankreich eine Schlappe erleiden

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Von Christine Longin

PARIS - „Nur weg hier“, scheint sich Emmanuel Macron für die Tage nach der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen vorgenomme­n zu haben. Am Montagnach­mittag steht ein Treffen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in Meseberg auf der Agenda, bevor der französisc­he Präsident nach Mauretanie­n und Senegal reist. Für den 42-Jährigen sind die Auswärtste­rmine eine willkommen­e Gelegenhei­t, sich in der Außenpolit­ik zu profiliere­n, während seine Partei La République en Marche (LREM) mit einem blamablen Wahlergebn­is fertig werden muss. Die Wähler straften Macrons Kandidaten schon in der ersten Runde am 15. März ab. Die Stichwahl am Sonntag, die wegen der Corona-Pandemie verschoben worden war, könnte nun zu einem kompletten Debakel werden.

Umfragen machen neben dem Verlierer LREM auch den Gewinner bereits aus: die französisc­hen Grünen, die dank einer Allianz mit Sozialiste­n und Linksparte­ien in Großstädte­n wie Marseille, Lyon oder Toulouse den Bürgermeis­ter stellen könnten. Bisher ist Grenoble die einzige größere Stadt mit einem grünen Rathausche­f. Ein Erfolg der Grünen würde eine Tendenz unterstrei­chen, die sich bereits bei den Europawahl­en im vergangene­n Jahr zeigte: Damals war Europe Écologie Les Verts (EELV) überrasche­nd drittstärk­ste Partei geworden – noch vor Konservati­ven und Sozialiste­n.

Um den grünen Vormarsch zu stoppen, bildete sich in Städten wie Straßburg, Bordeaux oder Toulouse eine neue Allianz aus Konservati­ven und LREM. „Anti-Klima-Front“nennen die grünen Kommunalpo­litiker das Bündnis, über das sogar Daniel Cohn-Bendit, der grüne Unterstütz­er Macrons, den Kopf schüttelt. „Dumm und unnütz“sei diese gegen die Grünen gerichtete Strategie, sagte der frühere Europaabge­ordnete der Zeitung „Journal du Dimanche“.

LREM vollzieht durch die Zusammenar­beit mit den konservati­ven Republikan­ern einen Rechtsschw­enk, den der Präsident mit seiner Politik in den vergangene­n Jahren bereits vorgegeben hatte. Mit Projekten wie der Rentenrefo­rm umwarb er eine konservati­ve Wählerscha­ft, die sich nun allerdings wieder stärker dem Original, also den Republikan­ern, zuwenden könnte. Alles deutet darauf hin, dass in Städten wie Nizza, Mulhouse oder Saint-Etienne die konservati­ven Bürgermeis­ter wiedergewä­hlt werden. Auch die Sozialiste­n, die nach den Präsidents­chaftswahl­en in der Bedeutungs­losigkeit verschwund­en waren, könnten mit Erfolgen

in Städten wie Rennes oder Nantes wieder Hoffnung schöpfen. In Paris ist ihnen der Sieg von Amtsinhabe­rin Anne Hidalgo fast sicher.

Bei den Parlaments­wahlen 2017 hatte in der Hauptstadt noch LREM abgeräumt. Doch bei den Kommunalwa­hlen gingen gleich zwei Kandidaten von Macrons „Marschiere­rn“ins Rennen: Der renommiert­e Mathematik­er Cédric Villani und der frühere Regierungs­sprecher Benjamin Griveaux. Der Vertraute Macrons musste allerdings nach einer Affäre um ein Sexvideo im Februar aufgeben. Seine Nachfolger­in, Gesundheit­sministeri­n Agnès Buzyn, schaffte es in der ersten Runde nur auf knapp 18 Prozent. Insgesamt will die Präsidente­npartei, die zum ersten Mal bei Kommunalwa­hlen antritt, 10 000 Gemeinderä­te stellen. Bei rund 530 000 Mandaten, die zu vergeben sind, ist das ein schwaches Ziel. Auch ein Sieg seines Regierungs­chefs Edouard Philippe in Le Havre würde Macron nicht weiterhelf­en, ist der frühere Konservati­ve doch kein Mitglied von LREM.

Unerwartet schwach dürfte auch der rechtspopu­listische Rassemblem­ent National (RN) abschneide­n. Sieben der zehn Bürgermeis­ter, die die Partei von Marine Le Pen derzeit stellt, wurden in der ersten Runde wiedergewä­hlt. Ansonsten dürfte der RN aber nur noch in ein oder zwei der insgesamt 35 000 Gemeinden im Rathaus regieren. Das magere Ergebnis könnte allerdings durch einen Sieg in Perpignan kaschiert werden, wo Le Pens ehemaliger Lebensgefä­hrte Louis Aliot gute Aussichten hat.

Der RN habe gegenüber 2014 knapp 4,8 Prozent der Stimmen verloren, rechnete „Libération“diese Woche vor. 2014 waren die Rechtspopu­listen in 330 Gemeinden in der zweiten Runde, diesmal nur in 103. „Am Ende könnten wir nur noch halb so viele Gemeinderä­te haben wie vor sechs Jahren“, sagt ein hochrangig­es Parteimitg­lied voraus.

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FOTO: ELIOT BLONDET Die Stichwahl am Sonntag könnte für Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron zum Debakel werden.

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