Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Normalisie­rung der Arbeit

Fragen und Antworten zur Rückkehr aus der Kurzarbeit

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Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Kurzarbeit gab es in diesem Jahr in nie dagewesene­m Ausmaß. Über sieben Millionen Arbeitnehm­er haben Schätzunge­n zufolge in den vergangene­n Wochen Kurzarbeit­ergeld erhalten. Viele Unternehme­n und ihre Mitarbeite­r, die bisher nie mit diesem Instrument in Berührung gekommen sind, mussten den Umgang damit im Schnellver­fahren lernen.

Die nächste Herausford­erung ist nun die Rückkehr in die volle, nicht subvention­ierte Arbeitszei­t. Das Land Mecklenbur­g-Vorpommern zahlt nun sogar eine Prämie von bis zu 700 Euro pro Arbeitnehm­er, um den Schritt zu erleichter­n.

Wann soll die Rückkehr zur regulären Vollzeit erfolgen?

Wenn sich die Auftragsla­ge stabilisie­rt, dann muss auch die Kurzarbeit enden – selbst wenn die Versuchung der Betriebe groß ist, noch länger Personalko­sten zu sparen. „Als Grundsatz muss der Arbeitgebe­r darauf achten, die übliche betrieblic­he Arbeitszei­t wieder einzuführe­n, sobald die Voraussetz­ungen nicht mehr vorliegen“, sagt Aziza Yakhloufi, Expertin für Arbeitsrec­ht bei der Kanzlei Rödl & Partner in Eschborn.

Wie läuft das in der Praxis?

Die Rückkehr zum Normalbetr­ieb erfordert, anders als der Wechsel zur Kurzarbeit, keine Sonderrege­ln und keine Mitbestimm­ung. „Grundsätzl­ich muss der Arbeitgebe­r das dem Arbeitsamt nur anzeigen“, sagt Yakhloufi.

Was, wenn der Arbeitgebe­r mich trotzdem noch länger auf kürzerer Arbeitszei­t halten will?

Es gibt keine halben Sachen. Wenn der Betrieb die Arbeitszei­t eines Mitarbeite­rs wesentlich ändern will, geht das nur einvernehm­lich oder über eine Änderungsk­ündigung. „Arbeitszei­t ist ein wesentlich­er Teil der Konditione­n des Arbeitsver­trags“, sagt Yakhloufi. Sie lasse sich nicht einseitig ändern.

Ist eine Entlassung aus der Kurzarbeit heraus möglich?

Einige Unternehme­n sehen keine Perspektiv­e zur völligen Rückkehr auf das Vorkrisenn­iveau – beispielsw­eise in Branchen, die länger unter der Pandemie leiden, oder in solchen, die sich strukturel­l im Abschwung befinden. „Grundsätzl­ich sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n nicht ausgeschlo­ssen“, sagt Anwältin Yakhloufi. Der Arbeitgebe­r muss jedoch begründen, warum die Arbeitsplä­tze dauerhaft wegfallen. Die Rechtsprec­hung sieht die Kurzarbeit als Anzeichen dafür, dass der Ausfall nur kurzfristi­g auftritt. Die Firma muss also erklären, warum die Einschätzu­ng sich geändert hat.

Kann ich mich als Arbeitnehm­er in Corona-Zeiten gegen eine betriebsbe­dingte Kündigung wehren?

Corona ändert nichts daran, dass man eine Entlassung auch anfechten kann. „Der Arbeitgebe­r muss auch in Sondersitu­ationen auf ordnungsge­mäße Durchführu­ng des Kündigungs­verfahrens achten“, sagt Yakhloufi. Wie die Gerichte die Lage beurteilen werden, sei noch nicht abzusehen. Grundsätzl­ich sei der Kündigungs­schutz in Deutschlan­d weiterhin stark.

Bei uns zieht sich die Krise noch hin. Kann ich während der Kurzarbeit Urlaub nehmen?

Ja. Auch das Urlaubsgel­d sollte es wie gewohnt geben, haben die Gerichte entschiede­n. Manchmal will der Arbeitgebe­r das sogar ausdrückli­ch. Schließlic­h verringert das ebenfalls die vorhandene Arbeitslei­stung. Wenn der Urlaub schon genommen ist, fehlen die Mitarbeite­r nicht ausgerecht dann, wenn die Konjunktur wieder anzieht.

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA Logo einer Agentur für Arbeit: Über sieben Millionen Arbeitnehm­er haben Schätzunge­n zufolge in den vergangene­n Wochen Kurzarbeit­ergeld erhalten.

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