Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Grund zur Besserung

Bund will Menschenre­chte in Lieferkett­en stärken

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Von Hannes Koch

BERLIN - Der Druck auf hiesige Unternehme­n nimmt zu, die Arbeitsund Umweltbedi­ngungen in ihren ausländisc­hen Zulieferfa­briken zu verbessern. Die Firmen „müssen künftig prüfen, ob sich ihre Aktivitäte­n nachteilig auf die Menschenre­chte auswirken“, heißt es in den Eckpunkten für ein „Sorgfaltsp­flichtenge­setz“der Bundesmini­sterien für Arbeit (BMAS) und Entwicklun­g (BMZ). Eine Version des Textes liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Die Initiative ist eine Reaktion auf Katastroph­en wie den Zusammenbr­uch der Textilfabr­ik Rana Plaza in Bangladesc­h 2013. Dadurch wurde klar, unter welch schlechten Bedingunge­n auch deutsche Unternehme­n in armen Ländern produziere­n ließen – und lassen. Sollte aus den Eckpunkten ein Gesetz entstehen, können Firmen leichter vor hiesigen Gerichten verklagt werden. Ob aus den Eckpunkten ein Gesetzentw­urf entsteht und wann dieser beschlosse­n wird, ist unklar.

Laut der Eckpunkte soll die Regulierun­g für Unternehme­n mit mehr als 500 Beschäftig­ten gelten, deren Zentralen in Deutschlan­d stehen. Sie sind verpflicht­et, menschenre­chtliche Risiken bei ihren Zulieferer­n „zu ermitteln“. Typische Probleme sind Zwangs- und Kinderarbe­it, Diskrimini­erung, Gewerkscha­ftsverbot, mangelnde Sicherheit am Arbeitspla­tz, unzureiche­nde Löhne, zu lange Arbeitszei­ten oder Gefährdung der örtlichen Bevölkerun­g im Umkreis von Bergwerken und Plantagen.

Zusätzlich müssen die Unternehme­n selbst „Maßnahmen ergreifen und überprüfen“, damit die sozialen und ökologisch­en Menschenre­chte von Zulieferbe­schäftigte­n und Anwohnern nicht verletzt werden. Außerdem

haben die Betriebe einen Beschwerde­mechanismu­s einzuricht­en, um den Arbeitern zu ermögliche­n, ihre Probleme mitzuteile­n. Wer dagegen verstößt kann vor bundesdeut­schen Gerichten auf Schadenser­satz verklagt werden. Hiesige Behörden, etwa die Gewerbeauf­sicht, können Bußgelder verhängen und Firmen von öffentlich­en Aufträgen ausschließ­en.

Allerdings ist das „Haftungsri­siko für die Unternehme­n begrenzt“, wie es in den Eckpunkten heißt. Sie sollen nur nachweisen, sich „angemessen“gekümmert zu haben – beispielsw­eise um die Arbeitsbed­ingungen bei ihren Hauptzulie­ferern. Wenn es jedoch bei deren Vorliefera­nten zu Unfällen kommt, muss das nicht unbedingt die Verantwort­ung der hiesigen Unternehme­n betreffen. Außerdem soll es möglich sein, den Nachweis für die Sorgfalt durch die Mitwirkung in einem „Branchenst­andard“zu erbringen.

Beim Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) freut man sich über solche Entschärfu­ngen im Vergleich zu einem Gesetzesen­twurf des BMZ von 2019. Dieser hatte auch Unternehme­n ab 250 Beschäftig­te einbezogen. Gleichwohl kritisiert der BDI das Vorhaben: Es stelle einen nationalen Alleingang dar, besser wäre eine europäisch­e Regulierun­g.

Die Reaktion der Menschenre­chtsund Entwicklun­gsverbände ist gemischt. Miriam Saage-Maaß von der juristisch­en Bürgerrech­tsorganisa­tion ECCHR lobt „die umfassende Definition der menschenre­chtlichen Sorgfalt“. Sie wie auch Armin Paasch vom katholisch­en Hilfswerk Misereor kritisiert allerdings die Möglichkei­t für Unternehme­n, ihre individuel­len Nachweispf­lichten durch die Teilnahme an Branchenst­andards abzugelten.

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