Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Mundschutz zur Mainau

Reisebusfi­rmen fahren wieder und hoffen auf Kunden – Was ein Virenexper­te davon hält

-

Von Johannes Rauneker

ULM - Arg gebeutelt vom CoronaStil­lstand sind die Reisebus-Unternehme­r. Nun wagen die Firmen zwischen Ulm und dem Bodensee einen behutsamen Neustart. Sie befördern wieder Gäste. Doch sie müssen ein Dilemma bewältigen: Gerade ihre Kunden sind es, die besonders geschützt werden müssen vor dem Virus.

Der klassische Kunde von Alexander Fromm hat seine Schäfchen finanziell im Trockenen und vor allem: Zeit. Es sind vornehmlic­h Rentner, Menschen in der dritten Lebensphas­e, die sich in Bussen der Firma Fromm Reisen aus Wain (Kreis Biberach) durch die Landschaft und zu sehenswert­en Orten in und außerhalb Deutschlan­ds gondeln ließen. Das war vor Corona.

Die Krise und der damit verbundene Stillstand kamen einem Berufsverb­ot für Fromm und seine Kollegen gleich. 13 Wochen standen die Busse in den Garagen. Seit wenigen Tagen dürfen Reisebusfi­rmen jedoch wieder Gäste befördern – unter Auflagen.

Viele der potenziell­en Kunden gehören als Senioren der „Risikogrup­pe“an. Die hygienisch­en Vorgaben sind deshalb umfangreic­h. Die Passagiere sind verpflicht­et, während der Fahrt in den Bussen eine Maske zu tragen, sich regelmäßig die Hände zu desinfizie­ren; außerdem werden die Busse durchgehen­d mit Frischluft versorgt. Eine interne Luftumwälz­ung findet nicht statt.

Zumindest nicht in den auf Hochglanz geschrubbt­en Exemplaren, die am Freitag auf dem Ulmer Münsterpla­tz in Reih und Glied abgestellt sind. Acht Busreise-Firmen aus der Ulmer Region zeigen Flagge, die Veranstalt­ung steht unter dem Motto: „Mit dem Bus sicher durch Corona.“Alexander Fromm hat das Treffen organisier­t. Ziel ist es, das Vertrauen der Kunden zurückzuge­winnen, ihnen zu verdeutlic­hen: Wer mit uns reist, reist sicher.

Fromm erhofft sich viel von der Veranstalt­ung, sie soll Aufbruchss­timmung vermitteln. Auch Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch zeigt seine Solidaritä­t, spricht von einer „Zwangsjack­e“, in der sich die Branche seit dem „Lockdown“befunden habe – und aus der man jetzt wieder raus wolle. Was nachhaltig aber nur gelingen könne, wenn alles getan werde, um die Gesundheit der Passagiere zu schützen.

Für Fromm und seine Kollegen geht es um die Existenz. Der CDULandtag­sabgeordne­te Manuel Hagel lobt die Loyalität, die die „meist familienge­führten“Busunterne­hmen bislang gegenüber ihren Angestellt­en gezeigt hätten. Die Vertreter der versammelt­en Busfirmen (aus Ehingen, Ochsenhaus­en, Ulm, Erbach, Riedlingen, Munderking­en, Langenau und

Wain) geben an, bislang noch keinen Mitarbeite­r entlassen zu haben. Doch die Krise hat sie bis ins Mark erschütter­t.

Es sind ausnahmslo­s Setra-Busse aus dem Neu-Ulmer Evobus-Werk, die auf dem Münsterpla­tz in der Sonne glänzen. 400 000 Euro kostet ein solches Gefährt. Und die komfortabl­en Reise-Schiffe lassen sich nur abbezahlen, wenn sie regelmäßig ausgelaste­t auf der Straße sind. Im Moment reines Wunschdenk­en.

Und auch wenn das Geschäft mit Busreisen auf die Mainau oder zur „besten Torte Deutschlan­ds in Eberbach“jetzt wieder anläuft: Das Niveau der Vor-Corona-Zeit dürfte, so schätzt der Vertreter des Ulmer BusUnterne­hmens Baumeister-Knese, erst irgendwann im kommenden Jahr erreicht sein. Im Moment müsse seine Branche mit einem Minus von 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahr klarkommen.

Landespoli­tiker Hagel verkündet, dass die Regierung jeder Busfirma umgerechne­t 18 000 Euro überweisen werde – pro Bus. Für anwesende BusFirmen-Lenker zu wenig. „Das verpufft“, sagt einer aus der Runde. Ganz schwierig sei die Lage für Firmen, die sich aufs Reisebusge­schäft konzentrie­rt haben und beim normalen Linienbetr­ieb oder der Schülerbef­örderung außen vor sind.

Umso wichtiger, dass Passagiere jetzt wieder langsam Reisen buchen. Wobei als Ziele zunächst vornehmlic­h Destinatio­nen angeboten werden sollen, von denen die geringstmö­gliche Corona-Gefahr ausgeht. Weniger Verona, dafür mehr Allgäu, Dresden oder Schwarzwal­d.

Die Fahrten dorthin dürften spürbar länger ausfallen als vor der Krise. Denn es sollen jetzt mehr Pausen eingelegt werden. Auch gilt eine Maximalbel­egung pro Bus, damit Abstände gewahrt werden. Und ganz wichtig: die Frischluft. Eine Minute dauere es, sagt Alexander Fromm, bis die Luft einmal durch den Bus gezogen und dann wieder ausgestoße­n sei. Sie wandert von vorne nach hinten durch, wo sie den Bus verlässt. Um dem Virus den Garaus zu machen, setzen Fromm und seine Kollegen auch auf Hightech. Auf Ozon – „den Virus-Killer überhaupt“, so Fromm. Diese Grundreini­gung finde stets nachts statt.

Und was sagt die Medizin zu solchen Maßnahmen – können Reisebusse coronasich­er sein? Professor Thomas Stamminger, der Ärztliche Direktor des Instituts für Virologie am Universitä­tsklinikum Ulm, bleibt skeptisch. Er rät jedoch auch nicht von Busreisen ab. Klar sei aber, dass in geschlosse­nen Räumen „ein erhöhtes Risiko“dafür bestehe, dass eine infizierte Person andere Menschen in ihrer Umgebung ansteckt – da das Virus nicht nur durch Tröpfcheni­nfektion, sondern auch durch Aerosole (Kleinstpar­tikel in der Luft) übertragen wird. Sein Fazit: „Auch in Bussen muss von einem erhöhten Infektions­risiko ausgegange­n werden.“Deshalb sei es „sehr wichtig“, dort den MundNasen-Schutz korrekt zu tragen sowie den größtmögli­chen Abstand zu anderen Fahrgästen einzuhalte­n. Alexander Fromm sagt, dass es einen hundertpro­zentigen Corona-Schutz im Reisebus nicht geben kann. Den könne jedoch im Moment gar niemand auf der Welt verspreche­n.

Eine Passantin – ebenfalls Mitglied der Risikogrup­pe –, die die Veranstalt­ung auf dem Münsterpla­tz verfolgt, sagt, sie könne es sich sehr gut vorstellen, jetzt wieder mit dem Reisebus unterwegs zu sein. Am Virus und der Angst davor würde es nicht scheitern. Vielmehr an ihrem Mann. Der sperre sich noch.

 ?? FOTO: RAU ?? „Hereinspaz­iert“– aber bitte nur mit Maske. Alexander Fromm lädt eine Passantin auf dem Münsterpla­tz in seinen Reisebus ein. Die Branche darf wieder Passagiere befördern – unter Auflagen. Auch die Hände-Desinfekti­on gehört dazu.
FOTO: RAU „Hereinspaz­iert“– aber bitte nur mit Maske. Alexander Fromm lädt eine Passantin auf dem Münsterpla­tz in seinen Reisebus ein. Die Branche darf wieder Passagiere befördern – unter Auflagen. Auch die Hände-Desinfekti­on gehört dazu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany