Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Klopps Krönung
Lobeshymnen für deutschen Trainer nach Liverpools Titel – Fans halten Abstand nicht ein
LIVERPOOL (dpa/SID) - Die Euphorie beim FC Liverpool ist nach dem Gewinn der Meisterschaft riesig. Ehemalige Profis und britische Medien überschlugen sich mit Lobeshymnen. „Nach 30 Jahren sind die Reds wieder Champions, und nach einer Saison für die Ewigkeit könnte es nicht verdienter sein“, befand „The Independent“. Liverpool-Ikone „King“Kenny Dalglish schwärmte mit Tränen in den Augen: „Jürgen Klopp hat fantastische Arbeit geleistet.“Kritik gab es für die Anhänger.
Denn viele Fans waren außer sich. Trotz der Bitten ihres geliebten Meistertrainers und der Stadt, zu Hause zu bleiben, feierten sie die ganze Nacht am Stadion Anfield, als hätte es die Corona-Krise nie gegeben. Zu groß waren die Freude und die Erleichterung nach dem ersten Meistertitel seit 30 Jahren. Auch Klopp und seine Spieler kämpften nach dem Triumph mit den Tränen, der Trainer musste deshalb sogar ein Interview beim Sender Sky Sports abbrechen. „Sorry, Gentlemen, ich bin durch“, sagte er mit brüchiger Stimme, rückte seine Liverpool-Mütze mit aufgestickter DeutschlandFahne zurecht und ging zurück zu seinen wild tanzenden Spielern. 30 lange Jahre hatten die Reds auf diesen Tag gewartet, und nun wollte der gesamte Club nur noch feiern – den lang ersehnten Titel, vor allem aber seinen deutschen Teammanager.
Trainer Pep Guardiola vom entthronten Titelverteidiger Manchester City gratulierte sportlich. „Glückwunsch an Liverpool, seine Fans, den Trainer, die Spieler. Wohlverdient“, sagte er und zeigte sich beeindruckt. Liverpool habe mit „unglaublichem Fokus“gespielt. „Pep Guardiolas zweijährige Herrschaft ist vorbei“, resümierte der „Daily Mirror“. Citys Niederlage beim FC Chelsea hatte den Erfolg der Reds am Donnerstag endgültig perfekt gemacht. Die Klopp-Elf hatte City allerdings schon vor Monaten abgehängt. Eine „Vernichtung“nannte es der „Guardian“. Man habe den Eindruck, Klopps Team würde „nach anderen physikalischen Gesetzen funktionieren
„Unsere unglaubliche Reise ist noch nicht vorbei.“
als alle anderen“. Klopp selbst hatte dafür gesorgt, dass seine gesamte Mannschaft im noblen Hotel Formby Hall Golf Club die Niederlage des Rivalen Manchester City verfolgte. „Ich habe gesagt: Jeder muss dabei sein. Wer das Spiel alleine geschaut hätte, hätte es für den Rest seines Lebens bereut“, sagte der 53-Jährige. Exakt um 22.09 Uhr Ortszeit war es so weit. „Wir haben die letzten fünf Sekunden heruntergezählt. Und dann war es eine pure Explosion“, berichtete Klopp aufgewühlt.
Das galt auch für die Fans, die sich bei dem Deutschen bedankten. „Jürgen
Jürgen Klopp glaubt an weitere Titel
Meister“stand in der „Jägermeister“-Schrift auf einer Fahne, die im Stadion an der Anfield Road hing. Und davor, auf den Straßen, feierten Tausende Anhänger den sehnlichst erwarteten Titel und ihren „Jurgen“. Damit ignorierten sie Klopp, der wegen der Corona-Pandemie fast gefleht hatte: „Ich hoffe, dass ihr zu Hause bleibt. Geht vor euer Haus und feiert, wenn ihr wollt, aber mehr nicht.“Das klappte allerdings nicht. Dabei ist Klopps Wort eigentlich Gesetz, längst gibt es Forderungen nach einer Statue für den ehemaligen Dortmund-Coach. Bruce Grobbelaar, eine Clublegende, meinte: „Für mich ist er die Wiedergeburt von Shankly in einem deutschen Körper.“Bill Shankly: Dieser Name fiel häufiger. 1964, 1966 und 1973 hatte der 1981 verstorbene Trainer Liverpool zur Meisterschaft geführt und die Grundlage für den Mythos geschaffen, der den Club bis heute umweht.
Kenny Dalglish, ebenfalls eine Vereinslegende, der als Spieler und Trainer fast alles mit dem Club gewann und auch den letzten Meistertitel nach Anfield holte, gratulierte Klopp bei Sky Sports. Der Coach sei „fantastisch“, schwärmte Sir Kenny. „Er verkörpert alles, wofür der FC Liverpool steht.“Mit 19 Meistertiteln haben die Reds einen weniger als der Erzrivale und Rekordmeister Manchester United. Und Klopp hat noch lange nicht genug. „Unsere unglaubliche Reise ist noch nicht vorbei. Meine Jungs haben noch ein paar gute Jahre in den Beinen“, sagte der Meistermacher.