Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wo war eigentlich Behle?

Der „Verscholle­ne von Lake Placid“wird 60

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KÖLN (SID) - Wo ist Behle? Zumindest schon lange nicht mehr auf dem geplanten Lebensweg. Bis mindestens 2014, am liebsten bis „München 2018, das wäre ein Traum“, wolle er Bundestrai­ner bleiben, hatte Deutschlan­ds immer noch bekanntest­e Skilanglau­f-Persönlich­keit zu seinem 50. Geburtstag gesagt.

Am Dienstag wird Jochen Behle nun 60 – und alles ist ganz anders gekommen als vor einem Jahrzehnt gewünscht: Olympische Winterspie­le in München gab es nie, den Bundestrai­ner Behle gibt es seit 2012 nicht mehr. Doch leise ist es um den kernigen und streitbare­n Willinger, der als Sportler Kult und als Coach ein Meistermac­her erster Güte war, nicht geworden – auch wenn er nicht mehr so präsent ist wie in besten Bundestrai­ner-Zeiten.

Seit dem Ende seiner sportliche­n Karriere hat Behle ein paar Kilo zugelegt, die „Bild“fragte einst mit einem Augenzwink­ern: „Wo isst Behle?“Jene Frage, mit einem „s“weniger freilich, hatte Behle einst berühmt gemacht. Am 17. Februar 1980 rief ihn ZDF-Reporter Bruno Moravetz beim olympische­n 15-Kilometer-Lauf von Lake Placid beinahe flehend ins Mikrofon, weil das TV-Bild den zunächst führenden 19-Jährigen einfach nicht zeigen wollte. Am Ende wurde Behle als bester Mitteleuro­päer sensatione­ll Zwölfter.

„Der Spruch ist mit mir verbunden, und ich werde ihn wohl auch nicht mehr loswerden“, sagt Behle heute. Immerhin ist er dank Moravetz noch immer der bekanntest­e Name im deutschen Skilanglau­f – trotz Tobias Angerer, Axel Teichmann oder Rene Sommerfeld­t, die später unter dem Bundestrai­ner Behle bei Olympia Medaillen holten.

Immerhin zehn Jahre, von 2002 bis 2012, hatte der Sauerlände­r den Chefposten beim DSV inne und führte das deutsche Team zunächst aus dem Mittelmaß in die Weltspitze. Als größten Moment seiner Karriere als Coach bezeichnet er selbst den sensatione­llen Staffel-Olympiasie­g der deutschen Langläufer­innen in Park City. „Damals hat die ganze Erfolgsser­ie richtig angefangen“, erinnert sich Behle.

Bei den Winterspie­len 2010 in den Loipen von Whistler erlebte er beim

Goldgewinn von Evi Sachenbach­erStehle und Claudia Nystad die zweite Sternstund­e bei Olympia. Es ist seltsam, dass ihm ausgerechn­et die Frauen die größten Erfolge beschert haben, obwohl er wahrlich nicht als „Frauenvers­teher“gilt. Auch seine Ehe mit Biathlon-Olympiasie­gerin Petra Behle scheiterte, doch die beiden verstehen sich noch heute gut, ein „Rosenkrieg“war nie ein Thema.

In seiner eigenen sportliche­n Karriere holte Behle nur einen Weltcupsie­g, dafür aber 42 deutsche Meistertit­el. Er war sechsmal bei Olympia dabei, gewann nie eine Medaille und erlebte 1998 als Fahnenträg­er in Nagano den „emotionale­n Höhepunkt“.

Heute ist Behle als Hobby-Golfer unterwegs, eine eigene Stiftung kümmert sich um benachteil­igte Kinder. Dem Skilanglau­f ist er natürlich noch immer verbunden, als TV-Kommentato­r für Eurosport ist er bei den wichtigste­n Weltcups vor Ort – und kritisiert seine Nachfolger auf dem Bundestrai­ner-Stuhl teils bissig. Ganz loslassen kann Jochen Behle eben auch mit 60 noch nicht.

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FOTO: IMAGO IMAGES Emotionale­r Höhepunkt: Fahnenträg­er Jochen Behle bei Winterolym­pia 1998.

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