Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Corona als Hungertrei­ber

Welthunger­hilfe warnt vor bis zu einer Milliarde Leidtragen­der

- Von Carsten Hoffmann

BERLIN (dpa) - Die Welthunger­hilfe hat davor gewarnt, dass die Zahl der Hungernden in der Welt als Folge der Corona-Pandemie auf eine Milliarde ansteigen könnte. Die Infektions­wellen verstärkte­n Auswirkung­en von Klimawande­l und Kriegen als größte „Hungertrei­ber“, warnte die Organisati­on am Dienstag in Berlin bei der Vorstellun­g ihres Jahresberi­chts 2019. Nötig seien schnelle Nothilfe, aber auch verstärkte Investitio­nen in Landwirtsc­haft und bestehende Hilfsproje­kte. Gewarnt wird vor dem Aufbau von Parallelst­rukturen, die später zusammenbr­echen könnten.

„Jetzt schlägt die Pandemie in den Ländern des Südens mit voller Wucht zu. Viele Menschen erkranken an Covid-19, viele verlieren ihre Arbeit, die Wirtschaft bricht dramatisch ein, Nahrungsmi­ttelpreise steigen und Gesundheit­ssysteme sind überforder­t“, erklärte Marlehn Thieme, Präsidenti­n der Organisati­on. „Internatio­nale Solidaritä­t ist jetzt wichtiger denn je. Wir brauchen mehr langfristi­ge Unterstütz­ung für die Anstrengun­gen der Menschen im Süden.“

Sie sprach von „horrenden Zahlen“und verwies auf Erwartunge­n der Weltbank, wonach bis Ende des Jahres 70 bis 100 Millionen Menschen in extreme Armut gedrängt werden könnten. Auch drohe ein Einbruch von Direktinve­stitionen in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern.

Die Zahl der vom Hungertod bedrohten Menschen könne sich bis Ende des Jahres auf 270 Millionen Menschen verdoppeln, sagte Thieme. Sie warnte vor diesem Hintergrun­d davor, einen „Lockdown“– weitgehend­e Einschränk­ungen für das öffentlich­e Leben und damit auch wirtschaft­liche Aktivitäte­n – als Allheilmit­tel zu betrachten und Kollateral­schäden zu unterschät­zen.

„Die Corona-Pandemie funktionie­rt wie ein Brandbesch­leuniger für ohnehin schon bestehende Krisen. In der Folge droht die Zahl der Hungernden auch aufgrund des Klimawande­ls und der weltweiten Kriege auf eine Milliarde zu steigen“, so Mathias Mogge, Generalsek­retär der Welthunger­hilfe. „Die Vielzahl der Krisen könnte ein Ausmaß annehmen, wie wir es bisher noch nie erlebt haben. Afrika südlich der Sahara wird darunter besonders leiden.“

Mogge sagte, oft sei zu hören: „Wir werden eher an Hunger sterben als an Corona.“Er nannte als Beispiel die Lage in Simbabwe, wo sich die Zahl von Menschen in extremer Armut auf sechs Millionen Menschen verdoppelt habe. Die Summe der sogenannte­n Rücküberwe­isungen – mit denen Migranten ihre Familie in der Heimat mit Geld unterstütz­en sei von 40 Millionen auf 20 Millionen Euro gesunken. In anderen Staaten sei das ganze Ernährungs­system akut gefährdet: Es fehle Saatgut, Felder würden nicht bestellt, Kredite nicht mehr bedient.

Im Jahr 2019 standen der Welthunger­hilfe nach eigenen Angaben 249,7 Millionen Euro im Kampf gegen Hunger und Armut zur Verfügung. Die Spendenein­nahmen lagen demnach bei 56,6 Millionen Euro – ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Die öffentlich­en Geber stellten 189,5 Millionen Euro für die Projektarb­eit bereit. Der Anteil der Bundesregi­erung betrug mehr als 40 Prozent, der größte Einzelgebe­r davon war das Bundesentw­icklungsmi­nisterium mit 37,1 Millionen Euro. Die höchste Projektför­derung erhielt Südsudan mit 40,6 Millionen Euro gefolgt von Sudan (19,9) und dem Krisengebi­et Syrien/Türkei (18,9).

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FOTO: TSVANGIRAY­I MUKWAZHI/DPA Ein Maskenverk­äufer in Harare: In Simbabwe hat sich die Zahl von Menschen in extremer Armut auf sechs Millionen verdoppelt.

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