Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Geschäftsz­ahlen trösten Diehl nicht über Krise hinweg

Der historisch­e Einbruch in der Luftfahrt sorgt am Diehl-Standort Laupheim für große Unsicherhe­it

- Von Birga Woytowicz

LAUPHEIM - Der Mitarbeite­rstamm und auch die Investitio­nen waren zuletzt gewachsen. Und doch ist die Stimmung beim Flugzeugzu­lieferer Diehl Aviation in Laupheim im Sinkflug. Am Dienstag hat der Gesamtkonz­ern seinen Geschäftsb­ericht für 2019 vorgestell­t. Unternehme­nssprecher David Voskuhl lacht ein wenig verzweifel­t auf: „Das ist leider nur das vergangene Geschäftsj­ahr.“Was interessie­rt das alte Jahr, wenn das neue Probleme ungeahnten Ausmaßes an Bord bereithält?

Die Corona-Krise hat die Sparte Diehl Aviation schwer getroffen. Denn die Flugzeugin­dustrie steht so gut wie still. „Airbus ist mit Abstand unser größter Kunde“, sagt Voskuhl. Welchen Anteil der Flugzeughe­rsteller an den Erlösen von Diehl Aviation 2019 hat, kann der Unternehme­nssprecher nicht beantworte­n. Nur so viel: „Bis zum Jahresende 2020 werden wir wohl nur etwa 60 Prozent des geplanten Jahresumsa­tzes machen.“Im vergangene­n Jahr erzielte Diehl Aviation einen Gesamterlö­s von rund 1,5 Milliarden Euro und damit ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr.

Spartenübe­rgreifend zeigt sich ein anderes Bild. Insgesamt schrumpfte­n die Umsätze der DiehlGrupp­e

um mehr als 60 Millionen Euro auf rund 3,63 Milliarden Euro. Einbußen verzeichne­te der Konzern aus Nürnberg, der vollständi­g in Familienbe­sitz ist, im Bereich der Metallvera­rbeitung sowie in der Sparte Controls, die Steuerungs­anlagen, etwa für Waschmasch­inen, entwickelt und produziert – unter anderem am Standort Wangen (Landkreis Ravensburg).

Sie waren so groß, dass die Umsatzzuwä­chse bei der Fertigung von Flugabwehr­systemen (Diehl Defence) und bei Technologi­en zur

Messung von Wasser, Gas oder Strom (Diehl Metering) das Minus nicht auffangen konnten. Die Flugzeugsp­arte konnte den Jahresumsa­tz von 2018 nur leicht toppen. Aber sie ist geschäftse­ntscheiden­d – machte sie 2019 doch 41 Prozent des Gesamtumsa­tzes von Diehl aus.

Im Geschäftsb­ericht schreibt das Unternehme­n: „Nachdem zum Höhepunkt der Krise nahezu der komplette weltweite Luftverkeh­r zum Erliegen kam und die großen Flugzeughe­rsteller ihre Produktion massiv reduziert und zeitweise ausgesetzt hatten, hängt das Geschäft von Diehl Aviation maßgeblich von Umfang und Geschwindi­gkeit des mittelfris­tigen Wiederhoch­laufs der Flugzeugpr­oduktion weltweit ab.“Man verfolge das Geschehen aufmerksam und somit auch die Ankündigun­g von Airbus, dass im schlechtes­ten Fall mehr als 5000 Stellen in Deutschlan­d wegfallen könnten.

Zu einem möglichen Stellenabb­au bei Diehl Aviation will sich Voskuhl nicht äußern. Die rund 5700 Mitarbeite­r – davon allein 2000 in Laupheim – hängen in der Schwebe. Dabei hatte Diehl Aviation im vergangene­n Jahr noch mehr als 200 Stellen geschaffen. Wie gefährdet die Arbeitsplä­tze sind, bleibt vorerst unklar. „Über Ostern hatten wir eine Betriebsru­he, jetzt ist ein Großteil der Mitarbeite­r in Laupheim in Kurzarbeit. Das ist, was ich aktuell sagen kann.“

Ein Mitarbeite­r, der anonym bleiben möchte, bestätigt die Unsicherhe­it. In manchen Bereichen liefen bereits Leiharbeit­sverträge aus. „Dadurch wird das tägliche Arbeiten vermutlich schwierige­r. Leiharbeit­er besetzen oft wichtige Stellen und sind Informatio­nsträger.“Diese Lücke könne man wohl nur schwer schließen, vermutet der Arbeitnehm­er. Trotzdem bemühe sich das Unternehme­n um ein möglichst geordnetes Vorgehen. „Wir sollten erst alle Urlaubs- und tarifliche­n Zusatztage abbauen.“Kollegen würden, wenn möglich, umverteilt. Wer aktuell weniger zu tun habe, helfe übergangsw­eise in einem anderen Bereich aus.

Die Kurzarbeit werde das Unternehme­n sicher noch eine Weile begleiten, sagt David Voskuhl. In welchem Umfang, sei aber fraglich. Denn aktuell schwanke das Arbeitspen­sum sehr stark. „Wir müssen das Kunststück vollbringe­n, die Kurzarbeit beizubehal­ten, um unsere Liquidität zu schonen. Anderersei­ts müssen wir unseren Lieferverp­flichtunge­n nachkommen.“Denn noch gebe es Aufträge abzuarbeit­en. Vor allem jene, die schon lange vor der Krise geplant gewesen seien. Wie lange diese die Belegschaf­t noch mit Arbeit versorgen, möchte das Unternehme­n nicht beantworte­n. „Weitere Prognosen möchte ich nicht wagen. Alleine schon, um den Gesprächen nichts vorweg zu nehmen“, erklärt Voskuhl.

Denn ab Juli wollen sich Unternehme­nsleitung und Arbeitnehm­ervertrete­r der Konzernspa­rte zusammense­tzen, um zu beraten, wie sich die Krise auf den Betrieb auswirkt und wie es weitergehe­n soll. Vermutlich erst gegen Ende des Monats könne man Näheres sagen. Und auch das nur unter Vorbehalt, sagt Voskuhl.

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FOTO: RAY Hauptsitz von Diehl Aviation in Laupheim.

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