Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit 13 Jahren schon Herr der Öle

Paul Belthle aus Beuron-Thiergarte­n ist der wahrschein­lich jüngste Ölmüller Deutschlan­ds und recht erfolgreic­h

- Von Mandy Streich

BEURON - „Hi, ich bin Paul. Ölmüller aus Leidenscha­ft“, steht auf der Sprechblas­e einer lebensgroß­en Pappfigur von Paul Belthle. Zwei Fahrradfah­rer aus Niedersach­sen machen an der Ölmanufakt­ur „Die Ölfreunde“in Beuron-Thiergarte­n (Landkreis Sigmaringe­n) halt und schauen den echten Paul neben dem Schild ungläubig an. Dann fragen sie ihn, ob sie ein Foto mit ihm zusammen machen dürfen. So etwas komme öfter vor, sagt Paul. Denn er ist mit seinen 13 Jahren wohl der jüngste Ölmüller in ganz Deutschlan­d und stolz auf die von ihm geschaffen­e Marke.

Schon mit elf Jahren hat Paul Apfelchips selbst gemacht und aus den Kerngehäus­en der Äpfel Essig hergestell­t. So kamen seine Eltern schließlic­h auf die Idee, ihm die Ölmühle zu Weihnachte­n zu schenken und ihm in der Schnapsbre­nnerei des Vaters den nötigen Raum zu schaffen. Diese ist nun Ölmanufakt­ur, Lager und Hofladen in einem. Direkt am Eingang des rustikalen Fachwerkha­uses steht ein Tresen aus dunklem Holz, wie der einer alten Bar. Wenn Paul in dem kleinen Hofladen etwas verkauft, klirrt die alte Jugendstil­kasse beim Tippen laut, und Pauls Augen leuchten.

Dass Paul Belthle mit großer Wahrschein­lichkeit der jüngste Ölmüller Deutschlan­ds ist, bestätigt Constanze Gohlke, Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­ands Dezentrale­r Ölmühlen und Pflanzenöl­technik. Zu diesem gehören rund 30 Ölmüller aus ganz Deutschlan­d. „Soviel ich weiß, ist keiner unserer Ölmüller unter 25 Jahre alt“, sagt Constanze Gohlke. Und auch außerhalb des Verbands sei ihr kein Betrieb mit einem so jungen Ölmüller bekannt.

Während Gleichaltr­ige Videospiel­e spielen, vertieft sich Paul in die

Weiterentw­icklung seines Geschäfts. „Anfangs habe ich Sonnenblum­enund Rapsöl für Verwandte und Freunde produziert“, sagt Paul, der meist ein gelbes T-Shirt mit seinem Logo und einen braunen Hut trägt. Im vergangene­n Jahr habe er sein erstes Öl in der Milchtanks­telle in Gutenstein verkauft. Als die Zahlen stimmten, seien weitere Hofläden dazugekomm­en. Inzwischen haben sein Öl auch mehr als 20 Edeka- und Rewe-Filialen rund um das Donautal im Sortiment.

Nach und nach habe er seine Ölmühle deshalb vergrößern müssen und auch um eine Abfüll- und Ettiketier­maschine sowie um eine Filteranla­ge erweitert. Auf die Herstellun­g von Sonnenblum­enöl verzichtet Paul inzwischen. „Das hat keinen starken

Geschmack.“Dafür stellt der 13-Jährige seit Kurzem auch Hanföl her und hat nun acht verschiede­ne Sorten Öl im Angebot. Neben Raps-, Chili-, Kräuter- und Knoblauchö­l auch spezieller­e wie Hopfen- oder Bruschetta­öl. Er plane außerdem, bald auch Öl aus Leindotter und Schwarzküm­mel herzustell­en. Jedes seiner Öle wird kaltgepres­st, sodass Vitamine sowie Omega-3- und -6-Fettsäuren nicht verloren gehen, sagt Paul.

Die Produkte für die Herstellun­g, die bio- und demeterzer­tifiziert sind, kommen aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern: „Ich versuche, unseren ökologisch­en Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.“Die Nachfrage nach Paul Belthles Öl steigt – damit werden die Transportw­ege

länger. Seit dem vergangene­n Jahr habe sich die Produktion verdreifac­ht. 2020 sollen rund 20 Tonnen Raps weitervera­rbeitet werden. Im kommenden Jahr will Paul die Menge noch einmal verdoppeln.

„Die Corona-Zeit war für mich sogar ziemlich gut“, sagt Paul, der in die achte Klasse des Hohenzolle­rn-Gymnasiums in Sigmaringe­n geht. „Ich konnte den Onlineunte­rricht ohne Pause durchziehe­n und hatte dann mehr Zeit zum Ölmachen.“Dabei arbeitet Paul unter der Woche jeweils ab 13 Uhr in der Ölmanufakt­ur – rund 25 Stunden. „Auch am Wochenende stecke ich jede freie Minute in das Geschäft. Von nichts kommt nichts.“

Vom Auftreten her wirkt Paul nicht wie ein 13-Jähriger. Dass er als

Chef der „Ölfreunde“neben dem Ölpressen noch weitere Verpflicht­ungen hat, zeigt sein Engagement auf Messen, für die er extra von der Schule freigestel­lt wurde. Sein Vater Jürgen Belthle ist bis zu Pauls 18. Geburtstag für die Firma verantwort­lich, dann werde sie auf ihn überschrie­ben. „Paul leitet aber trotzdem schon alle Preisverha­ndlungen und Gespräche selbst. Nur beim Kauf einer Maschine darf er nicht unterschre­iben, das übernehme ich“, sagt Vater Belthle. „Am Anfang hatte ich Angst, dass er nicht ernst genommen wird, aber eine solche Situation gab es glückliche­rweise noch nie.“

Bei der Ölherstell­ung ist auch die Nachhaltig­keit wichtig für den 13-Jährigen. „Ich verwerte fast alles von meinem Rohstoff“, sagt er. Als Nebenprodu­kt bei der Gewinnung von Öl entstehe nämlich auch sogenannte­r Presskuche­n, der in den meisten Fällen als Tierfutter weiterverw­endet wird. Den Presskuche­n seines Hanföls verarbeite Paul außerdem zu einem Proteinpul­ver, das vor allem für Vegetarier geeignet und in der Fitnesssze­ne angesehen sei.

Seine ganze Familie unterstütz­e ihn mit seinem Geschäft, wie er erzählt: Seine Oma habe Rezepte ausgearbei­tet, zu denen sein Hanfmehl und auch das Öl genutzt werden können. Auch Omas hausgemach­ter Senf sowie unterschie­dliche Nudeln, Marmelade, Honig und Hühnerfutt­er sind im Hofladen erhältlich.

Erhältlich sind all diese Produkte rund um die Uhr in Thiergarte­n, wie Paul auch den beiden Radfahrern aus Niedersach­sen erklärt. Vor der Ölmanufakt­ur stehen nämlich zwei Kühlschrän­ke mit einer Kasse, denen sich die Radfahrer nun interessie­rt zuwenden – während Paul Belthle sich wieder der Herstellun­g seines Öls widmet.

 ?? FOTO: MANDY STREICH ?? In seinem Reich, in seinem Metier: Paul Belthle, Ölmüller.
FOTO: MANDY STREICH In seinem Reich, in seinem Metier: Paul Belthle, Ölmüller.
 ?? FOTO: UNCREDITED/HONS/AP/DP ?? Ein toter Elefant von unerklärli­ch vielen in Botsuana.
FOTO: UNCREDITED/HONS/AP/DP Ein toter Elefant von unerklärli­ch vielen in Botsuana.

Newspapers in German

Newspapers from Germany