Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Jasmin Pfeiffer macht ihr Ding

Die 22-Jährige hat ihren Meisterabs­chluss als Stuckateur­in in der Tasche

- Von Angela Schneider

TETTNANG/KAU - Stuckateur­e machen sich beim Arbeiten richtig dreckig. Sie müssen schwer schleppen und körperlich hart arbeiten. Sie sind bei jedem Wetter draußen. Arbeit auf dem Bau halt. Jasmin Pfeiffer ist das völlig egal. „Ich bin Stuckateur­in mit Leib und Seele“, sagt sie. Dabei wollte die ehemalige Leistungst­urnerin eigentlich mal was mit Sport machen. Aber es kam anders: Vor kurzem hat Jasmin ihren Meisterabs­chluss als Stuckateur­in gebaut. 22 Jahre ist sie alt und zupacken kann sie auch.

Immerhin: Die junge Frau kommt aus einem Familienbe­trieb, 1959 vom Opa gegründet und heute von Papa Lothar und Onkel Franz-Josef geführt. Auf dem Gymnasium zeigte Jasmin jedenfalls mehr Talent für Mathe und Physik als für Deutsch und Englisch. Körperlich­e Arbeit hat ihr noch nie etwas ausgemacht. „In den Pfingstfer­ien ging’s auf die Baustelle, oder ich und meine Schwester haben das Lager aufgeräumt. Oder Holz für den Opa gehackt“, erzählt sie.

Aufmaße ausrechnen, Gerüstteil­e kennzeichn­en – in der Oberstufe kam sie immer mehr mit dem Beruf in Berührung. Sie entschied sich zur Ausbildung mit Meisterabs­chluss, die dauerte dreieinhal­b Jahre. Blockunter­richt in Leonberg und Praxisphas­en im Betrieb daheim wechselten sich ab.

Jetzt sind alle in der Familie und die Kollegen im Betrieb natürlich enorm stolz auf Jasmin. Mama und Papa haben ihr einen Meisterbau­m aufgestell­t, mit Herzchen und Gipserwerk­zeug dekoriert. Den Förderprei­s für Handwerksg­esellen der Handwerksk­ammer Bodenseekr­eis gab es obendrauf, ein Jahr lang darf sie nun einen VW Up fahren.

Trotzdem war nicht immer alles eitel Sonnensche­in auf dem Weg zur Meisterstu­ckateurin. Als eine von ganz wenigen Frauen in einem Männerberu­f, der sich zudem maßgeblich durch harte körperlich­e Arbeit auszeichne­t, bedarf es durchaus einiger Durchsetzu­ngskraft – von den Muckis mal ganz abgesehen. Jasmin Pfeiffer ist nicht besonders groß: Bei 1,58 Meter wiegt die muskulöse junge Frau gerade mal 50 Kilogramm. Auf der Baustelle schultert sie bis zu 30 Kilogramm Gewicht.

Und wie klappt das nun mit den männlichen Kollegen? „Als Frau muss ich zehn Mal mehr beweisen und zeigen, was ich kann“, so ihre Erfahrung. Andere Fronten kommen noch dazu: Als Tochter des Chefs hatte Jasmin in der Ausbildung eine Sandwich-Position zwischen Geschäftsf­ührung und Kollegen inne, wollte es immer allen Recht machen. Deutliche kulturelle Unterschie­de und entspreche­nde Auffassung­en über Frauen bei den Kollegen, die aus vielen verschiede­nen Ländern stammen, spielten ebenfalls eine Rolle. Da sei es hilfreich gewesen, klare Grenzen zu ziehen – zugegebene­rmaßen ein Lernprozes­s.

Wer Jasmin Pfeiffer erlebt, bekommt eine Ahnung davon, dass sie schon eine ganze Menge an Selbstbewu­sstsein mitbringt. Mama Silvia, die beim Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“mit am Tisch sitzt, schaltet sich ein: „Jasmin hat viel gelernt und sich entwickelt. Und bei uns in der Familie gilt: Was du anfängst, ziehst du durch.“

Soll heißen: Wenn es mal ruppig hergeht und man sich durchbeiße­n muss, gehört das einfach auch dazu. „Man muss eine gute Mitte finden, es ist immer ein Geben und Nehmen“, sagt die 22-Jährige, die mit dieser Philosophi­e gut gefahren ist. Apropos Fahren: muss sie auch können. Jasmin Pfeiffer hat den Lastwagen-Führersche­in und darf die großen Brummer fahren. Und im Turmdrehkr­an die richtig dicken Brocken über die Baustelle bewegen, das beherrscht sie auch.

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Natürlich drängt sich in einem Familienbe­trieb, dessen dritte Generation in den Startlöche­rn steht, die Frage der Nachfolge auf. Zumal Jasmins drei Jahre jüngere Schwester Corina seit einem Jahr den gleichen Ausbildung­sgang in Leonberg absolviert. „Coco und ich haben schon im Sandkasten gesagt: wir machen das Ding zusammen“, erzählt Jasmin.

Dazu meldet sich Silvia Pfeiffer nochmal zu Wort: „Wir sagen den Mädchen immer, sie sollen sich in dieser Sache überhaupt keinen Stress machen. Sie sind beide noch so jung und müssen ihren Weg erst noch gehen, und wenn der aus dem Betrieb herausführ­t, dann ist das auch in Ordnung“, schildert Silvia Pfeiffer die Haltung der Eltern.

Jetzt heißt es für Jasmin Pfeiffer erst einmal, im Betrieb in der neuen Position anzukommen. „Ich muss noch weiterlern­en und mich entwickeln.“Die Power dazu hat sie auf jeden Fall.

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FOTO: ANGELA SCHNEIDER Auch die Stuckateur­e haben eine Kluft. Sie ist cremeweiß. Jasmin Pfeiffer, frischgeba­ckene Meisterin, trägt ihre mit Stolz.
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