Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Geflüchtete brauchen Wohnraum
Bauprojekte, Grundstücke und Gebäude in Stadt und Ortschaften werden geprüft
FRIEDRICHSHAFEN - Der Bedarf an Unterkünften für Geflüchtete und Obdachlose in der Stadt ist nach wie vor hoch. Etwa 115 Menschen pro Jahr müssen laut Stadtverwaltung untergebracht werden. Doch der Wohnraum ist knapp. Bauprojekte, Grundstücke und Gebäude in der Stadt und in den Ortschaften werden nun geprüft, um neuen Wohnraum zu schaffen. Flüchtlinge und Obdachlose sollen laut der Vorlage für die gemeinsame Sitzung der Ortschaftsräte sowie für den Gemeinderat weiterhin dezentral und möglichst in Wohnungen untergebracht werden.
In den vergangenen Jahren habe die städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWG) den Großteil der benötigten Wohnungen zur Verfügung gestellt, um Geflüchteten und Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu bieten, erklärte Bürgermeister Dieter Stauber in einem Pressegespräch. Nun wolle sich die Stadt aber breiter aufstellen, um den Bedarf zu decken: „Das ist eine absolute Pflichtaufgabe und die Unterkünfte dürfen nicht ausgehen.“
Nach spätestens 24 Monaten in einer Erstaufnahmestelle im Landkreis werden Flüchtlinge auf die Gemeinden verteilt, erläuterte Hans-Jörg Schraitle, Leiter des Amts für Bürgerservice, Sicherheit und Ordnung. Das entspricht für Friedrichshafen 28 Prozent der zugewiesenen Menschen für die sogenannte Anschlussunterbringung im Bodenseekreis, gemessen an der Bevölkerungszahl. „Mit Blick auf das aktuelle Weltgeschehen ist eine langfristige Planung hinsichtlich benötigten Wohnraums aber sehr schwierig“, so Schraitle. Auch die Corona-Pandemie führe zu Unsicherheiten. „Wir wissen vermutlich erst im kommenden Jahr, welche Auswirkungen zum Beispiel Arbeitslosigkeit aufgrund der Krise haben wird.“Das Ziel sei immer, dass die untergebrachten Familien und Einzelpersonen nach einer Weile in Eigenverantwortung mit eigenen Mietverträgen wohnen. Dafür habe die Stadt einen Katalog an Eigenschaften und Pflichten zusammengestellt, die ein Mieter erfüllen sollte, erklärte Schraitle weiter: „Es ist eine Langzeitaufgabe. Wir wollen, dass die Menschen auf eigenen Beinen stehen können.“
In manchen Fällen sei es möglich, aus der Unterbringung in derselben Wohnung direkt ein Mietverhältnis zu machen, auch ganz vereinzelt in Wohnung von Privatvermietern. Viele der privat vermieteten Wohnungen seien in Fischbach.
Die Wohnungen der Zeppelin Wohlfahrt könnten zudem nur teilweise genutzt werden. Die Wohlfahrt biete jährlich fünf Wohnungen für die Anschlussunterbringung an. Im aktuellen Bestand von etwa 200
Wohnungen für die Anschlussunterbringung sei die Stadt großteils selbst die Mieterin und besäße kaum eigene Wohnungen, erklärte Jürgen Dietz, Abteilungsleiter Wohnungswesen: „Wir schauen gerade, welche Grundstücke für einen Neubau von Häusern passend sind. Es geht dabei aber nicht um Häuser mit Einzelzimmern, sondern immer um Häuser mit Wohnungen.“Mehrfamilienhausunterkünfte nennt die Verwaltung das geplante Bauprojekte. Für einen Neubau werde allerdings ein Vorlauf von anderthalb bis zwei Jahren benötigt, so Dietz.
Neubauten seien laut Sitzungsvorlage etwa in der Lindauer Straße 1/4 oder in der Margaretenstraße 11 möglich, wo bestehende Gebäude abgerissen werden müssten. Auch werde der Standort Fallenbrunnen für die Unterbringung von vielen Menschen in Betracht gezogen. In das Gebäude an der Eckenerstraße 11 sollen künftig etwa 20 Personen ziehen, das Haus wird derzeit umgebaut und soll noch 2020 fertig werden. Geplant ist, dass die Familien und obdachlosen Frauen aus der Unterkunft in der Ittenhauserstraße 7 dorthin umziehen und das freigewordene Gebäude dann für die Anschlussunterbringung zur Verfügung steht.
Das Gebäude an der Ailinger Straße 10 steht derzeit leer und soll als „Notfalllösung“dienen, heißt es weiter. Auch die Unterkunft am Wachirweg
soll eine Mehrfamilienhausunterkunft werden. Ein Bauprojekt hier ist bereits seit mehreren Jahren geplant. Außerdem sei angedacht, mit Landesfördermitteln Häuser zu bauen, die in städtischem Eigentum bleiben und in denen die Bewohner nur mit eigenen Mietverträgen leben. Möglich sei das etwa im Bereich Ittenhausen-Nord in Ailingen, so Dietz.
Weitere Grundstücke und Gebäude, die derzeit für eine Unterbringung geprüft werden, sind an der Scheffelstraße, am Skaterpark, an der Immenstaader Straße in Kluftern, an der Robert-Koch-Straße, an der Merkurstraße, am Reinachweg in Ailingen sowie an der Bodenseestraße in Wiggenhausen. „Es wäre allgemein wünschenswert, wenn wir mehr Unterkünfte in den Ortschaften schaffen könnten“, sagte Stauber. Hier seien die Voraussetzungen für eine gelingende Integration etwa durch das rege Vereinsleben und durch die Möglichkeit, schneller soziale Kontakte zu knüpfen, gegeben.
In einer der Ortschaftsräte am Donnerstag, 16. Juli, wird das Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen beraten. Danach steht es auch im am Mittwoch, 22. Juli, auf der Tagesordnung.