Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Das schwäbische „Black Lives Matter“
Ausgehend von Übergriffen amerikanischer Polizisten bekennen sich seit mehreren Wochen viele, auch ich, in Deutschland und in Friedrichshafen zu einer Grundhaltung gegen ethnische Diskriminierung. Das ist gut so! Die ethische Grundlage unseres Zusammenlebens ist Artikel 1 des Grundgesetzes, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Die Würde jedes Menschen muss den durchdringenden Leitfaden für unser tägliches Handeln darstellen, sie darf nie zur leeren Worthülse verkommen.
Die Bedeutung der Black-LivesMatter-Bewegung in den USA unterscheidet sich zwar aufgrund der Historie und der Kultur essentiell von unseren Diskriminierungsdebatten.
Doch auch bei uns berichteten aufgrund ihrer Hautfarbe Betroffene, dass neben alltäglichen Erfahrungen der Erniedrigung, Diskriminierung am stärksten beim Zugang zu Wohnung und Arbeit erlebt wird. Wie schnell endet unsere Toleranz, wenn meine Kollegin oder mein Wohnungsnachbar schwäbische Gepflogenheit nicht beherrscht, vielleicht auch nur bedingt bereit ist, sich diese anzueignen, wenn er oder sie nicht unseren Vorstellungen von rhythmisiertem Leben nachkommt, wenn die Gerüche und Musiktöne aus Nachbars Fenster nicht unseren eigenen entsprechen? Sind wir bereit, notwendiges Abgleichen konsensorientiert zu führen, oder tendieren wir dann doch auch schnell zu Abwertungen?
Sprechen wir etwa von Stadtteilen in Friedrichshafen, die am kippen sind, ohne dies an festen Fakten festmachen zu können.
Hier sind wir dann im schwäbischen Black-Lives-Matter, zugegebenermaßen ist dieses Hinterfragen wesentlich mühsamer als die notwendigen und erfrischenden öffentlichen Bekenntnisse gegen Diskriminierung.
Unser Bundespräsident hat im Juni, im Anschluss an den Austausch mit Betroffenen, gesagt, es reicht nicht, kein Rassist zu sein, wir müssen zu Antirassisten werden. Gute und drastisch gewählte Worte, die zum ehrlichen Nachdenken zwingen.
Werner Nuber, Kirchengemeinde St. Columban, Gemeinderat, SPD-Vorsit zender FN, Leiter der Jugendhilfe Arkade, Familie mit vier Kindern