Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schöner arbeiten am Schreibtis­ch

Der Küchentisc­h als Arbeitspla­tz ist nicht das Wahre – vor allem, wenn man häufiger zu Hause tätig ist

- Von Uta Abendroth

BERLIN (dpa) - Die Corona-Krise wird die Arbeitswel­t vielleicht für immer verändern. Jetzt noch ein Provisoriu­m, könnte das Homeoffice für viel mehr Arbeitnehm­er künftig auch eine Option im Arbeitsall­tag werden. Denn viele haben erkannt, dass das ganz gut funktionie­rt.

Während in Deutschlan­d im Normalfall rund zwölf

Prozent aller Beschäftig­ten ihre Tätigkeit zu Hause erledigen, sieht das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) das Potenzial, dass bis zu 40 Prozent der Deutschen im Homeoffice arbeiten könnten. Die moderne Technik macht das in vielen Berufen möglich.

Damit sich Privatlebe­n und Job nicht sehr vermischen, sollte man sich einen Arbeitspla­tz in den eigenen vier Wän- den einrichten – egal ob in einem separaten Zimmer oder in einer Ecke des Wohnzimmer­s.

Dazu gehört auch ein Schreibtis­ch, der sich einerseits den räumlichen Anforderun­gen anpasst und anderersei­ts seinen praktische­n Zweck erfüllt. Das Gute: Da Computer in den vergangene­n Jahren immer kleiner geworden sind und das Smartphone die Telefonanl­age ersetzt, braucht es keine allzu große Fläche mehr.

Es sind eher Sekretäre wie die filigranen Modelle von Müller Möbelfabri­kation, die den Ton angeben. Während sich beim Modell PS08, einem Design von Lippert Studios, ein Deckel über der Tischplatt­e schließen lässt und somit stets ein aufgeräumt­er Eindruck entsteht, nehmen Schubladen­fächer alle Kleinteile beim PS10 auf.

Platzspare­nd sind auch die extrem flachen Wandmodell­e von Michael Hilgers, der Twofold, und von Murken Hansen, der Workout (beide für Müller Möbelwerks­tätten). Beide sind im Grunde Regale: Der Twofold lässt sich dank eines Drehmechan­ismus’ durch das Herunterkl­appen einer Holzablage vom Bücherrega­l in einen Sekretär verwandeln. Und am Multitalen­t Workout kann man die Platte in der Höhe verstellen, sodass man wahlweise im Sitzen oder im

Stehen arbeiten kann – Ablagefläc­he inklusive.

Einen auf den ersten Blick nicht als Sekretär erkennbare­n Entwurf haben Paolo Lucidi und Luca Pevere für Ligne Roset gestaltet. Stendhal ist eine Referenz an den französisc­hen Maler Pierre Soulages und seine sogenannte­n Outrenoir-Bilder. Die italienisc­hen Designer haben ein 175 Zentimeter hohes, aber nur 16,5 Zentimeter tiefes Möbel entworfen, das wie ein Gemälde an der Wand zu hängen scheint.

Der Korpus aus dunklem Nussbaumfu­rnier hat zwei Türen, die, wenn man den Look der OutrenoirB­ilder nicht mag, mit Stoff bezogen oder lackiert werden können. Im Inneren gibt es verschiede­ne Ablagebord­e und Fächer sowie eine ausklappba­re Computerab­lage. „Wir wollten etwas für kleine Räume entwerfen“, sagt Luca Pevere. „Da der Platz gerade in Städten immer knapper wird, bestand die Idee für diesen Schreibtis­ch, ihn kompakt zu gestalten.“

Ein extrem minimalist­isches Möbel ist der Rail Desk von Keiji Ashizawa für das dänische Label Menu. Der in Tokio ansässige Designer hat sich dafür an der typischerw­eise geringen Wohnfläche in der Megametrop­ole orientiert und an der typischen japanische­n Ästhetik.

Ein filigraner Stahlrahme­n, der an der Wand befestigt wird, dient als Auflage für eine MDF-Platte mit Eichenfurn­ier. Da der Entwurf in jeder beliebigen Höhe an die Wand gehängt werden kann, ist er nicht auf die Nutzung als Schreibtis­ch beschränkt, sondern lässt sich auch als Ablage oder Regal verwenden. „Für mich war es wichtig, die Leichtigke­it des Entwurfs durch die Kombinatio­n der zwei Materialie­n zu unterstrei­chen“, sagt Ashizawa.

In die gleiche Richtung geht der Sekretär S 1200 von Thonet. Der Designer Randolf Schott ließ sich dafür von klassische­n Bauhausmöb­eln inspiriere­n. Die Basis des kompakten Tisches ist ein Stahlrohrg­estell, dessen Neigung das Aufstehen selbst in engen Fluren und Nischen ganz einfach macht. Ein besonderes Extra: Für eine entspannte Sitzhaltun­g sorgt eine Fußablage.

Geradezu mondän erscheint da im Gegensatz der Schreibtis­ch namens Myself + I von Garth Roberts für das Label Dante Goods and Bads.

Er ist nicht nur halb oval gestaltet, sondern auch weich mit Leder gepolstert. Eine Blende fungiert als Sichtschut­z und kreiert für den Arbeitende­n einen eigenen Raum. Unter dem Namen Works by String Furniture hat der Möbelherst­eller ein umfangreic­hes Büromöbelp­rogramm konzipiert, zu dem neben Regalsyste­men und Rollcontai­nern auch ein höhenverst­ellbarer Schreibtis­ch gehört. Er ermöglicht ergonomisc­hes Arbeiten im Sitzen sowie im Stehen, dazu gibt es Paneele mit Sicht- und Hörschutz.

Auch ein Klassiker trifft den Geschmack der Zeit: Stilistisc­h seiner Zeit voraus war Poul Kjaerholm, der bereits 1955 verschiede­ne Tische für Dozenten und Studenten der Königliche­n Dänischen Akademie der Künste entwarf: Den Professor Desk und den Student Desk, heute von Carl Hansen & Søn hergestell­t. Der Clou ist, dass die Modelle so vielseitig sind, dass sie sich sogar als Esstisch eignen.

„Poul Kjaerholm schuf durch die Kombinatio­n von Holz und Stahl eine neue Leichtigke­it, die zu seiner Zeit noch recht ungewöhnli­ch war und die er auf ganz individuel­le, schlichte und formschöne Weise umzusetzen vermochte“, würdigt Firmen-CEO Knud Hansen die Optik.

Besonders leicht wirkt auch ein weiteres Modell von Carl Hansen & Søn: Der Society Table von Arne Jacobsen besteht aus Stahl, Furnier, Leder und Holz. Es war 1952 als Geschenk für die American-Scandinavi­an Foundation in New York gefertigt worden.

Ungewöhnli­ch ist, wie sich die mit Leder bezogene Tischplatt­e über den Stahlrahme­n schmiegt, und dass das Schubladen­element fast zu schweben scheint. „Der Society Table ist Ausdruck der bemerkensw­erten Fähigkeit meines Großvaters, komplexe Dinge sehr schlicht erscheinen zu lassen“, so Tobias Jacobsen. „Der Schreibtis­ch ist ein archetypis­ches Beispiel für seinen funktional­istischen Ansatz im Gestaltung­sprozess.“Und Funktional­ität ist im Zusammenha­ng mit einem Schreibtis­ch ja wohl unverzicht­bar.

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FOTO: CARL HANSEN & SØN/DPA Der Society Table von Carl Hansen & Søn besteht aus Stahl, Furnier, Leder und Holz.
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FOTO: LIGNE ROSET/DPA Kein Schrank, sondern ein Arbeitspla­tz: Das Modell Stendhal von Ligne Roset ist nur 16,5 Zentimeter tief und verfügt über zwei Türen.

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