Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kandidaten­suche zur Unzeit

Während die Politik den Machtkampf vertagen will, fördert eine Umfrage neue Konstellat­ionen für die Kür der Kanzlerkan­didaten zutage

- Von Mathias Pudig und dpa

BERLIN - Die Parteien würden die Frage, wer Angela Merkel ins Kanzleramt folgt, am liebsten vertagen. Doch eine Umfrage des ZDF-Politbarom­eters hat den Gedankensp­ielen über die Kanzlerkan­didaturen am Wochenende neues Feuer gegeben. Immer mehr Deutsche können sich demnach gut vorstellen, CSU-Chef Markus Söder zum Kanzler zu wählen. Fast zwei Drittel der Befragten trauen ihm das zu.

Söder liegt damit nicht nur vor dem potenziell­en SPD-Kandidaten Olaf Scholz (48 Prozent). Auch die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz lässt er weit hinter sich: Friedrich Merz kam auf nur 31 Prozent, Armin Laschet auf 19 und Norbert Röttgen auf 14. Ebenfalls abgeschlag­en sind derzeit die Grünen-Vorsitzend­en Robert

Habeck (29 Prozent) und Annalena Baerbock (17). Für Markus Söder ist das ein Erfolg – trotzdem will seine

Partei die Debatte am liebsten vertagen. „Ich rate dazu, jetzt keine lang anhaltende Diskussion über Personalfr­agen

zu führen“, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Er warnte davor, die Fehler der SPD zu wiederhole­n, „nämlich sich monatelang mit sich selbst zu beschäftig­en, während die Bürger Antworten auf die Zukunft unseres Landes erwarten“. Söder selbst hatte schon Ende Mai gesagt, dass die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur voraussich­tlich erst im Januar entschiede­n wird, also nach dem CDU-Parteitag, auf dem die Partei ihren neuen Vorsitzend­en wählt.

Wie die Union wollen sich auch die Grünen noch nicht in die Karten schauen lassen. Zwar liegt Annalena Baerbock in Umfragen hinter Robert Habeck. Die Grünen wollen sich allerdings nicht unter Druck setzen lassen. „Die grüne Stärke besteht darin, im Team zu führen“, sagte Baerbock der „Saarbrücke­r Zeitung“. „Wir werden uns auch nicht an anderen Parteien ausrichten nach dem Motto, wenn die demnächst ihre Kanzlerkan­didaten aufstellen, dann müssen wir hinterherh­oppeln.“

Bei der SPD dürfte die Entscheidu­ng schneller fallen. Schon länger sondieren die Parteichef­s Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, wer die Kandidatur übernehmen soll. Nicht nur die Umfragen sprechen für Olaf Scholz. „Ich sage nicht zum ersten Mal, dass Olaf Scholz durchaus eine ernstzuneh­mende Option ist“, sagte Walter-Borjans der „Welt am Sonntag“. Es gibt jedoch auch Widerstand gegen den Vizekanzle­r. Der Parteilink­e Ralf Stegner wirbt für eine Teamlösung und sagte mit Blick auf Scholz: „Ego-Geschichte­n funktionie­ren nicht.“Die Sozialdemo­kraten werden voraussich­tlich schon im Spätsommer ihren Kandidaten vorstellen.

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FOTO: SVEN HOPPE Markus Söder (CSU) liegt vorn, hält sich aber zurück.

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