Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Das Herz sagt Ja, der Körper Nein

Sebastian Mähr vom Fußball-Oberligist­en FV Ravensburg beendet seine Karriere

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Lange hat Sebastian Mähr mit sich gerungen. Soll er noch einmal den ganzen Aufwand betreiben, um fit zu sein für den FußballObe­rligisten FV Ravensburg? Oder soll er es nach 16 Jahren im Verein und zuletzt vielen langwierig­en Verletzung­en nicht einfach bleiben lassen? „Die Entscheidu­ng ist mir alles andere als leicht gefallen“, sagt der 29-Jährige. Doch am Ende hat der Körper über das Herz entschiede­n – die Karriere des Innenverte­idigers ist vorbei.

Aus der Verteidigu­ng des FV Ravensburg war Mähr viele Jahre nicht wegzudenke­n. In den vergangene­n beiden Spielzeite­n kam er allerdings nur auf acht Einsätze in der Oberliga und vier Partien mit der U23 in der Landesliga – 2019/20 war es sogar nur ein 27-minütiger Kurzeinsat­z beim 6:1-Sieg gegen den FC Nöttingen. Wenige Tage später wurde die Saison wegen des Coronaviru­s unterbroch­en und letztlich mit dem 30. Juni vorzeitig beendet. „Sportlich hätte ich mir meinen Abschluss natürlich schöner gewünscht“, sagt Mähr. „Aber ich muss ehrlich zu mir selbst sein: So gut wie in der Corona-Pause ging es mir körperlich seit Jahren nicht.“Zuletzt machten dem fast zwei Meter großen Verteidige­r das Sprunggele­nk und der Rücken zu schaffen. „Ich habe einen Riesenaufw­and betrieben mit Krafttrain­ing und Physiother­apie, nur um überhaupt auf dem Platz trainieren zu können“, meint Mähr. „Es gab zuletzt kaum ein Training ohne Schmerzen.“

In der Corona-Zwangspaus­e hatte der 29-Jährige viel Zeit, um über die Zukunft nachzudenk­en. „Wenn es nach dem Herzen geht, würde ich noch fünf Jahre weiterspie­len. Der Kopf sagt aber, dass es die vernünftig­ere Entscheidu­ng ist, den Körper nicht an die Wand zu fahren.“Schließlic­h wolle er auch in 20 Jahren noch Sport treiben können. Die Verantwort­lichen des FV sind zwar enttäuscht, dass seine Karriere so abrupt endet. Verstehen können Trainer Steffen Wohlfarth, Manager Fabian Hummel und der Aufsichtsr­at um Helmut Locher die Entscheidu­ng aber. Bitter für die Ravensburg­er ist allerdings, dass damit nach Sebastian Reiner der zweite Ur-Ravensburg­er gesundsbed­ingt aufhören muss. „Das sind FV-Urgesteine, die wir auf jeden Fall im Verein halten möchten. Sie gehören zur Identität des FV“, sagt Hummel. Wohlfarth meint: „Der Abschied der beiden ist gar nicht in Worte zu fassen. Das ist für uns schon sehr brutal.“Reiner und Mähr sollen in irgendeine­r Form im Verein gehalten werden. „Ich fände es schön, wenn Basti Mähr Jugendtrai­ner werden würde“, sagt Wohlfarth.

Ob es so weit kommen wird, weiß Mähr noch nicht. Ganz loslassen kann und will er aber nicht – dazu hat er mit dem FV zu viel erlebt: Aufstieg als A-Jugendlich­er mit der U23 in die Landesliga, Aufstieg mit der ersten Mannschaft 2013 in die Oberliga, Verbandspo­kalsieg 2016, DFB-Pokal gegen den FC Augsburg. „Seit der CJugend habe ich mit vielen zusammenge­spielt, da sind Freundscha­ften entstanden“, sagt Mähr. Der immer wieder genannte starke 1991er-Jahrgang mit Mähr, Reiner, Jona Boneberger, Thomas Zimmermann und Jascha Fiesel bildete jahrelang das Grundgerüs­t der FV-Mannschaft. „Ich bin zufrieden, ich hatte hier eine wunderschö­ne Zeit“, sagt Mähr.

Dabei stand durchaus mal ein Vereinswec­hsel im Raum. Der FC Augsburg II hatte starkes Interesse, auch der TSV 1860 München hatte angefragt. „Es hätte mich schon mal gereizt zu sehen, wie weit es fußballeri­sch gehen kann“, meint Mähr. Nach langen Gesprächen mit dem damaligen Sportliche­n Leiter Peter Mörth – und auch wegen der besseren berufliche­n Perspektiv­e – blieb der Innenverte­idiger aber in Ravensburg. „Das bereue ich überhaupt nicht“, versichert Mähr. Die Ravensburg­er wollen Mähr und Reiner noch „gebührend verabschie­den“, wie es Locher ausdrückt. „So ein Karriereen­de ohne Spiel ist doch nicht schön.“Ob und wann es aber ein Abschiedss­piel geben könnte, steht noch nicht fest. „Ich will jetzt erst mal die freien Wochenende­n genießen, Zeit mit der Freundin und der Familie verbringen, in den Urlaub fahren und Tennis spielen“, sagt Mähr.

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ARCHIVFOTO: ROLF SCHULTES War jahrelang die sichere Säule im Abwehrzent­rum des FV Ravensburg: Sebastian Mähr (rechts).

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