Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zwei Inseln trauern um eine Legende
Der 66er-Weltmeister Jack Charlton ist im Alter von 85 Jahren gestorben
LONDON (SID) - Die einzige Statue von Jack Charlton versank am Sonntag in einem Meer aus Blumen, Schals und kleinen Briefen. „Mach’s gut, Big Jack!“, stand auf einem der vielen Zettel, die am Flughafen im irischen Cork den in Bronze gegossenen Charlton bedeckten. „Irlands beliebtester Engländer“sitzt dort auf einer Bank. Nicht als Fußballer, wohlgemerkt, sondern als Angler – mit einem prächtigen Lachs in der Hand. Typisch Jack, irgendwie.
Der Tod des Weltmeisters von 1966 sorgte für tiefe Trauer auf beiden Seiten der irischen See. Auch in Leeds, wo der ältere Bruder von Bobby Charlton seine gesamte Karriere als Spieler verbrachte, legten Fans am Stadion Blumen nieder. „Er war eine Ikone, auf und neben dem Platz, in England und Irland“, sagte der irische Premierminister Micheal Martin über den „großen Jack“, der am Freitag im Alter von 85 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben war.
Charltons größter Erfolg war zweifellos der Sieg im WM-Finale 1966 gegen Deutschland (4:2 n.V.). Charlton habe ihm nach dem Spiel „mit einer tiefen Verbeugung“zur Leistung gratuliert, erzählte Uwe Seeler der Bild am Sonntag: „Diese respektvolle Geste linderte ein kleines bisschen den großen Schmerz. Jack Charlton war ein echter Herr und Gentleman. Ein englischer Edelmann von Kopf bis Fuß – auf und neben dem Platz“.
Zur Legende wurde Charlton aber als Nationaltrainer in Irland. Dort also, wo das „englische Spiel“seit jeher mit leichter Skepsis betrachtet wird. Vor allem der Sieg gegen England (1:0) bei der EM 1988 in Stuttgart versetzte die grüne Insel aber in einen Fußball-Rausch, zwei Jahre später drang Irland bei seiner WM-Premiere sogar ins Viertelfinale vor und schied dort unglücklich gegen Gastgeber Italien (0:1) aus.
Charlton werde „für immer Teil der irischen Folklore“sein, schrieb die irische Sunday Times. Und natürlich wurden noch einmal die besten Charlton-Anekdoten ausgepackt. Etwa die von der WM 1990, als Papst Johannes Paul II., in seiner Jugend Torhüter, Schlussmann Pat Bonner bei einer Audienz Glück wünschte. Jener Bonner patzte dann gegen Italien, woraufhin Charlton seinen Schlussmann in den Arm nahm und meinte: „Pat, der Papst hätte den gehalten.“
Oder die von Tony Cascarino, der während der WM 1994 nächtlichen Damenbesuch im Hotel empfing und von Charlton in der Öffentlichkeit heftig getadelt wurde. Nach der Pressekonferenz bat Charlton den Stürmer zum Gespräch, schimpfte heftig – und fragte dann, ob die Dame „wenigstens große Brüste“gehabt hätte. Oder die aus der Zeit als NewcastleTrainer,
als er streikenden Bergarbeitern sein Auto zur Verfügung stellte, um den Protest zu organisieren. „Das war das Mindeste, was ich für meine Leute machen konnte“, sagte er später.
1996 wurde Charlton zu Irlands Ehrenbürger ernannt, für einen Engländer eine bemerkenswerte Auszeichnung. „Er ist die Personifizierung einer Goldenen Ära des irischen Fußballs“, sagte Premierminister Martin. Mick McCarthy, über Jahre Charltons Kapitän und später selbst zweimal Nationaltrainer, meinte: „Dank Jack haben wir all die Geschichten aus Stuttgart und Genua. So werden wir uns an ihn erinnern, mit einem großen Lächeln im Gesicht.“
So also, wie ihn auch die BronzeStatue in Cork zeigt. Es ist die einzige für Jack Charlton. Noch.