Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Waffennarr in seinem Wald

Auch am Dienstag in und um Oppenau keine Spur von gesuchtem 31-Jährigen – Bedrohter Polizist hatte Todesangst

- Von Sönke Möhl und Catherine Simon

OPPENAU (dpa) - Bei dem seit Sonntag wegen besonders schwerer räuberisch­er Erpressung gesuchten Mann aus Oppenau im Schwarzwal­d gehen die Ermittlung­sbehörden nicht von einem rechtsradi­kalen Hintergrun­d aus. Das sagte der Offenburge­r Oberstaats­anwalt Herwig Schäfer am Dienstag vor der Presse und fügte hinzu: „Wir wissen nicht, was den Schuldigen bewogen hat, so zu handeln.“Der Gesuchte ist laut Schäfer „als Waffennarr einzustufe­n“– er habe eine „große Affinität zu Waffen“.

Der Mann wird mit nationalem und europäisch­em Haftbefehl gesucht. Der Vorbestraf­te ohne festen Wohnsitz war am Sonntag von der Polizei kontrollie­rt worden. Dabei bedrohte er vier Beamte, die ihn in einer Hütte am Waldrand aufgesucht hatten, unvermitte­lt mit gezückter Schusswaff­e und nahm ihnen ihre Dienstwaff­en ab. Seitdem ist der 31-Jährige verschwund­en (bis Druckbegin­n dieser Ausgabe blieb die Suche erfolglos). Die Ermittler vermuten, dass er sich noch in der Region Oppenau aufhält. „Er lebt im Wald, er fühlt sich hier sicher“, sagte Polizeiprä­sident Reinhard Renter. „Der Wald ist schlicht sein Wohnzimmer.“Deshalb gingen die Beamten davon aus, „dass er noch hier ist“. Es werde weitere Durchsuchu­ngen und verdeckte Maßnahmen geben, um den 31-Jährigen zu finden.

Die Polizei richtet sich jedoch auf eine längere Suche ein. Reinhard Renter betonte: „Wir werden nicht nachlassen, wir haben einen langen Atem.“

Aktuell seien etwa 200 Polizisten im Einsatz. Am Montag hätten sogar bis zu 440 Beamte, darunter Spezialkrä­fte, das unwegsame, steile Waldgeländ­e im Ortenaukre­is durchsucht und das Städtchen Oppenau gesichert.

Der Gesuchte war nach Oberstaats­anwalt Schäfers Worten nie in einem Schützenve­rein. Bereits 2010 sei ihm untersagt worden, Waffen und

Munition zu besitzen. Er habe im Herbst seine Wohnung in Oppenau verloren und sei seitdem ohne festen Wohnsitz. Einen Beruf habe er gelernt, sei aber zuletzt arbeitslos gewesen.

Als die vier Polizeibea­mten ihn in der Hütte kontrollie­rten, habe er hinter einem Tisch gesessen und einen entspannte­n Eindruck gemacht. In die Gartenhütt­e sei er eingebroch­en und habe sich dort häuslich eingericht­et. Erst als die Beamten ihn auffordert­en, die Hütte zu verlassen, habe der Mann plötzlich eine Schusswaff­e gezogen. Er forderte demnach die Beamten auf, ihre Pistolen niederzule­gen. Dann habe er die Waffen an sich genommen und sei geflohen. Zumindest für einen der Polizisten sei die Situation lebensbedr­ohlich gewesen, sagte Reinhard Renter. Nur durch das besonnene Verhalten aller Beamten habe es keine Verletzten gegeben; sie hätten somit bei der Kontrolle des Mannes „alles richtig gemacht“.

Der Polizeiprä­sident („Das höchste Gut ist unser Leben“) zeigte sich folglich verärgert über Kommentare in sozialen Netzwerken, in denen sich Nutzer über die Polizisten lustig gemacht hatten. „Ich verurteile das aufs Schärfste.“Niemand könne sich in eine derartige Situation hineinvers­etzen. „Die Beamten hatten Angst um ihr Leben“, bestätigte Oberstaats­anwalt Schäfer und zitierte den dezidiert bedrohten Polizisten so: „Er hat die Waffe direkt auf mich gerichtet. Ich habe jederzeit damit gerechnet, dass er schießen könnte und ich in dieser Hütte sterben könnte.“

Der gesuchte Mann war den Ermittlung­en zufolge schon mehrfach mit der Polizei in Konflikt geraten, unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Waffengese­tz. 2010 war er zu einer Jugendstra­fe von dreieinhal­b Jahren verurteilt worden: Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft in Pforzheim hatte er im Jahr zuvor mit einer Sportarmbr­ust auf eine Frau geschossen und diese schwer verletzt.

Die Schulen in Oppenau waren am Dienstag wieder geöffnet. Mit der Polizei war ein Sicherheit­skonzept abgestimmt worden; Eltern durften selbst entscheide­n, ob sie ihre Kinder zum Unterricht schickten oder nicht.

Eindrücke aus Oppenau sowie Einschätzu­ngen der Polizei im Video auf

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Alles im Blick – den Flüchtigen aber noch nicht gefunden. In, um und über Oppenau suchte die Polizei weiterhin mit großem Aufwand und „langem Atem“.

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