Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehr Nichtschwimmer, weniger Badetote
Laut DLRG sinkt Zahl der Ertrunkenen leicht – Viele baden in gefährlichen Gewässern
RAVENSBURG - Im vergangenen Corona-Jahr 2020 gab es mindestens 378 Badetote, 39 weniger als im Jahr 2019. Das hat die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG) bekannt gegeben. Allerdings gab es einen traurigen Höchststand: Allein im August 2020 gab es 117 Todesopfer durch Ertrinken – diese Monatszahl war zuletzt im Jahr 2003 höher.
Die meisten Menschen ertranken – wie schon im Jahr 2019 – in Bayern. Dort kamen 79 Personen ums Leben – 16 weniger als im Jahr zuvor. In Baden-Württemberg gab es im vergangenen Jahr 39 Badetote, 2019 waren es noch 37 gewesen. „Jeder Zehnte ist bei uns im Südwesten ertrunken. Die meisten davon im Juli oder August“, sagt Eleonore Wagner, Geschäftsführerin des DLRG Landesverbands Württemberg, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Ein möglicher Grund dafür: Viele Menschen hätten im Corona-Jahr Urlaub in Baden-Württemberg gemacht. „Deshalb gab es an den Gewässern großen Andrang. In anderen Jahren machen viele auch Urlaub im Ausland und es verteilt sich mehr“, so Wagner.
Wegen der Corona-Pandemie waren zudem viele Freibäder lange geschlossen oder ließen nur eine reduzierte Zahl an Badegästen zu. Dies sei ein Grund, weshalb es immer mehr Menschen an gefährliche Badestellen wie Flüsse und Seen ziehe, die nicht von Rettungsschwimmern bewacht werden. „Das sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen“, erklärt Wagner. 16 Menschen kamen laut Statistik im Südwesten in Flüssen um, in Seen gab es 20 Verunglückte. Marius Clemens von der Ravensburger DLRG beobachtet im Gebiet seiner Ortsgruppe eine ähnliche Tendenz: „Ein großer Teil unserer Einsätze im vergangenen Jahr war an Flüssen und Seen. Viele Menschen rechnen dort nicht mit Gefahren wie Unterwasserpflanzen und Strömungen.“
Selbstüberschätzung der Badenden sei ein zentraler Faktor bei den Badeunfällen, sagt auch Eleonore Wagner – vor allem, wenn Alkohol im Spiel ist. „Wenn es bei einem Tag am See ein paar Bier mehr werden, sinkt einfach die Hemmschwelle“, sagt sie. Dabei stellen die Rettungsschwimmer laut Wagner jedes Jahr aufs Neue fest, dass dies tendenziell vor allem Männer betreffe: „Von den 39 Menschen, die 2020 in BadenWürttemberg ertrunken sind, waren 28 Männer – also mehr als zwei Drittel.“
Die eigene Fehleinschätzung ist nicht nur in der warmen Jahreszeit ein Thema. „Wenn es im Frühjahr wärmer wird, denken viele nicht daran, dass die Wassertemperatur meist noch sehr niedrig ist. Da kann nach ein paar Meter schwimmen der Kreislauf kollabieren“, sagt die DLRG-Geschäftsführerin.
Immer mehr betroffen sind laut Statistik auch Kinder und junge Menschen. 18 Kinder im Vorschul- und fünf im Grundschulalter kamen 2020 im Wasser ums Leben. Das liegt laut DLRG nicht zuletzt daran, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Das Corona-Jahr 2020 habe das durch längerfristig geschlossene Bäder noch verschlimmert, sagt Eleonore Wagner. „Wir haben Wartelisten von bis zu zwei Jahren für einen Schwimmkurs. Es wird auch mit geöffneten Bädern noch lange dauern, bis wir die abgearbeitet haben“, erklärt sie.
Hinzu komme, dass laufend Bäder komplett geschlossen werden. „Dadurch gab es auch vor Corona schon lange die Tendenz, dass es immer mehr Kinder gibt, die nie schwimmen gelernt haben.“
Diese Entwicklung bereitet auch den Rettungsschwimmern in Ravensburg Bauchschmerzen. „Das ist ein Riesenproblem, das uns in den kommenden Jahren noch zum Verhängnis werden könnte““, sagt Marius Clemens. Durch die wachsende Zahl der Nichtschwimmer gebe es außerdem automatisch auch weniger Kinder und Jugendliche, die sich zum Rettungsschwimmer ausbilden lassen. Der DLRG könnte also ein massives Nachwuchsproblem bevorstehen.
In die kommende Badesaison blickt Clemens mit Sorge. „Es läuft darauf hinaus, dass auch in diesem Jahr viele wieder an öffentlichen Badeseen und dem Bodensee Urlaub machen werden.“Der Rettungsschwimmer rechnet deshalb im Kreis Ravensburg mit seinen Flüssen wie der Schussen und der Argen sowie den vielen öffentlichen Seen mit einigen Einsätzen.