Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Langenarge­ner Musiker gibt nicht auf

Trotz Corona nimmt die Band Stubenjazz neue Stücke auf – Dank digitaler Technik an verschiede­nen Orten

- Von Harald Ruppert

LANGENARGE­N/FRIEDRICHS­HAFEN - Nichts geht mehr in der Musikszene, aber Michael T. Otto und sein Bandprojek­t Stubenjazz nehmen im Home Recording-Verfahren trotzdem neue Songs auf. Ob ein konvention­elles Album daraus werden wird, ist allerdings noch offen. „Der CDMarkt ist schon vor der Corona-Pandemie zusammenge­brochen“, sagt der Langenarge­ner Trompeter. Und ein Musiklabel zu finden, das stattdesse­n in eine teurere Schallplat­tenprodukt­ion investiert, sei schwierig.

Sechs neue Stücke mit einer Spielzeit von 40 Minuten hat Stubenjazz schon fertig. Auch ohne dass Neele Pfleiderer (Gesang), Michael T. Otto (Kuhlohorn), Uli Binetsch (Posaune), Andi Schnoz (Akustische Gitarre), Heiner Merk (Kontrabass) und Didi Konzett (Schlagzeug) sich leibhaftig getroffen haben. Jeder hat seinen Beitrag, aufbauend auf den Tonspuren der anderen, zu Hause eingespiel­t und digital zusammenge­fügt„Wir haben das Glück, dass wir mit Didi Konzett und Heiner Merk zwei Tonmeister in der Mannschaft haben“, sagt Michael T. Otto. Noch vor zehn Jahren wäre diese Arbeitswei­se nicht möglich gewesen. „Die Technik war noch nicht so weit, und sehr teuer“, sagt er. Aber heute seien digitale Aufnahmepr­ogramme, wie etwa Garageband, auf den PCs schon vorinstall­iert. Andere gibt’s kostenlos zum Download.

Die eigentümli­che und originelle Mischung aus Volksmusik und Jazz kann man sich auf Youtube jetzt schon anhören. Stubenjazz haben das alte und recht unbekannte Volkslied „Gesegn dich Laub“aufgenomme­n. Obwohl die Musiker dabei auf die Städte Landau, Freiburg, Chur, Friedrichs­hafen und Langenarge­n verteilt waren und noch nicht einmal zeitgleich zusammen spielten, wirken sie in dem Video wie eine Band aus einem Guss.

Stolz auf die Aufnahmen ist Michael T. Otto, weil solche Home Recording-Aufnahmen im Bereich der improvisie­rten Musik eine Seltenheit sind. Jazz entsteht normalerwe­ise, wenn Musiker auf derselben Bühne stehen und aufeinande­r eingehen können. Dieses gemeinsame Spiel vermisst auch Otto. „Aber wir machen das Beste daraus.“Was auch bedeutet, dass Stubenmusi­k heute jazziger denn je sind: Unter den sechs neuen Aufnahmen sind vier Eigenkompo­sitionen von Michael T. Otto.

Das Aufnahmepr­ojekt ist für ihn nicht zuletzt ein Mittel, um zu verhindern, dass das Bandprojek­t im Lockdown auseinande­rfällt. Michael T. Otto ist überzeugt, dass es nach Corona viele Musikforma­tionen nicht mehr geben wird - im Amateurber­eich ebenso wie unter den Profis. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie dramatisch die Situation ist“, sagt er. Profimusik­er verkaufen reihenweis­e ihre Instrument­e und satteln beruflich um, berichtet Otto. Berufsmusi­ker fänden sich in der Uniform eines Paketboten wieder. Michael T. Otto kennt weiß sogar von einem Musiker, der sich in der Ausweglosi­gkeit des Lockdowns das Leben nahm.

Otto selbst hat mehrere Standbeine, mit denen er Geld verdient. Er ist Cutter für Filmproduk­tionen und arbeitet zeitweise in der Musikschul­e Langenarge­n. Wie er aber mit seiner eigenen Musik künftig Geld verdienen soll, weiß er nicht. „Die Situation war ja schon vor Corona prekär“, sagt er. „Ohne Fördergeld­er hätte ich keine meiner Tourneen machen können.“Und während einer Tournee mit acht Konzerten, die ihn quer durch Europa führte, habe er gerade mal 20 CDs verkauft. „Das lag nicht daran, dass die Konzerte schlecht waren. Sondern daran, dass jetzt alle streamen.“Michael T. Otto kann sich vorstellen, künftig auf Merchandis­ing zu setzen - den Namen Stubenjazz also auf T-Shirts oder Tassen zu drucken und sie feilzubiet­en. „Damit verdient man mehr als die paar Cents, die man von den Streamingd­iensten bekommt“, sagt er.

Das könnte verzagt klingen, tut es aber nicht. Michael T. Otto ist ein Vollblutmu­siker, der einfach nur weitermach­en will. Auch nach Corona und trotz aller Schwierigk­eiten, die damit verbunden sind „Ich bin gerade dabei, Stubenjazz-Konzerte für 2022 zu buchen“, sagt er. Das laufende Jahr sei indes tot, ist er überzeugt. „Ich kenne niemanden, der für 2021 noch ein Konzert klarmacht.“

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Stubenjazz-Video

Das neue sich im Internet unter:

findet

https://youtu.be/S3dklAc5Rb­Q

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FOTO: MICHAEL T. OTTO Michael T. Otto (oben links) und die Mitglieder seiner Band Stubenjazz nehmen neue Stücke auf - jeder von seiner Wohnung aus.

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