Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wirtschaft gründet Förderverein für den Flughafen
IHK gibt ihre Anteile an dem Unternehmen ab – Insolvenzplan muss bis zum 4. Mai stehen
FRIEDRICHSHAFEN - „Die Wirtschaft braucht den Flughafen“: Den Spruch tragen alle Befürworter des Bodensee-Airports vor sich her. Nun haben sich sieben Unternehmen aus der Region Bodensee-Oberschwaben zusammengeschlossen und einen Förderverein gegründet. Ziel: Stärkung des Flughafens – und finanzielle Hilfe. Unterdessen arbeitet die Geschäftsführung daran, das überschuldete Unternehmen in eine stabilere Zukunft zu führen.
Förderverein Flughafen Friedrichshafen (FFF) heißt die Gruppe, die sich dieser Tage gegründet hat. Der Verein wird die Anteile der IHK Bodensee-Oberschwaben am Flughafen (1,57 Prozent) übernehmen. FFF soll zum einen ein Signal der Unterstützung der Wirtschaft für den kränkelnden Airport senden. Er soll aber auch finanzielle Hilfe für das Unternehmen organisieren (siehe Bericht auf der Wirtschaft, Seite 8).
Die Vertreter der beiden Hauptgesellschafter (Stadt Friedrichshafen und Bodenseekreis) freuen sich über den Schritt. „Natürlich begrüßen wir es, wenn sich die großen Unternehmen der Region über das bisherige Engagement hinaus für den Flughafen einbringen wollen – das ist und war schon immer unser Wunsch“, sagt Oberbürgermeister Andreas Brand. „Der Flughafen ist gerade für die Wirtschaft von enormer Bedeutung, die Sicherstellung seines Betriebes ist in ihrem eigenen Interesse. Spätestens jetzt muss auch die Wirtschaft der Region zeigen, welchen Beitrag sie zum Flughafen leisten kann und will.“
„Es ist ein klares Zeichen der Wirtschaft, dass sie nicht nur mit Worten zum Flughafen steht“, sagt Landrat Lothar Wölfle, der sich vom FFF „konstruktive Begleitung in schweren Zeiten“erhofft. Der Verein sei für weitere Mitglieder offen. „Ich bin dankbar, dass es unter Federführung von IHK-Präsident Buck zur Vereinsgründung gekommen ist.“
Auch die Geschäftsführung des Flughafens begrüßt den Schritt als „klares Bekenntnis zum Standort“. Airport-Chef Claus-Dieter Wehr hofft, dass der FFF noch größer wird und überlegt, wie er den Verein und seine Mitglieder an den Flughafen binden und einbinden kann. Vor allem aber arbeitet er fieberhaft an der Zukunft des Bodensee-Airports. Am Abend des 3. Februar hatte er beim Amtsgericht in Ravensburg ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenregie, ein sogenanntes Schutzschirmverfahren, beantragt. Ziel: ein sanierter Flughafen mit wirtschaftlich stabilen Aussichten.
Der Flughafen ist laut Wehr nicht zahlungsunfähig, nach Vorlage eines neuen Gutachtens über den Wert der Grundstücke aber mit rund 34 Millionen Euro Verbindlichkeiten „rechnerisch überschuldet“. Knapp 20 Millionen sind Gesellschafterdarlehen, vor allem von Stadt und Bodenseekreis, die je knapp 40 Prozent der Anteile am Flughafen halten. Bei der Sparkasse Bodensee steht der Airport mit gut acht Millionen Euro in der Kreide, fünf Millionen machen stille Beteiligungen von Sparkasse Bodensee, Kreissparkasse Ravensburg und ZF aus. Die Verbindlichkeiten außerhalb des Bankensektors liegen unter einer Million Euro.
Geschäftsführer Wehr führt den Flughafen gemeinsam mit dem auf Insolvenzen spezialisierten Rechtsanwalt Alexander Reus. Alexander Hubl wirkt als Sachwalter der Gläubiger-Interessen. Die drei haben bis zum 4. Mai Zeit, einen Insolvenzplan vorzulegen. Der regelt zum Beispiel die Insolvenzquote, also die Frage, welcher Gläubiger wie viel von seinem Geld wiedersieht. Gleichzeitig entsteht ein Restrukturierungsplan, der die Finanzierung des Flughafens kurz- und mittelfristig sichern soll. Unter anderem muss die Gesellschaft bis zum Jahr 2025 wegen EUrechtlicher Vorgaben 12,8 Millionen
Euro ohne Hilfe der öffentlichen Hand aufbringen. Dies soll unter anderem durch den Verkauf von Grundstücken passieren.
Nimmt das Gericht den Insolvenzplan an, wird in der Regel vier bis acht Wochen später eine Gläubigerversammlung einberufen. In dem Plan werden die Gläubiger in verschiedene Gruppen aufgeteilt, zum Beispiel Kreditgeber mit durch Grundstücke abgesicherte Darlehen, nicht Besicherte oder Gesellschafter. Für jede dieser Gruppen wird eine Insolvenzquote festgelegt, jede dieser Gruppen muss mehrheitlich dem Insolvenzplan zustimmen.
Fallen die Entscheidungen, über die in der Regel schon vorab verhandelt wird, positiv aus, werden die Planregelungen für alle Gläubiger verbindlich, egal, ob sie abgestimmt haben oder nicht. Im Mittelpunkt steht danach die künftige strukturelle und finanzielle Aufstellung des Flughafens. Weil das Insolvenzrecht vorsieht, dass Gesellschafter in so einem Fall erst dann Geld sehen, wenn alle anderen Gläubiger voll ausbezahlt sind, darf man davon ausgehen, dass die Gesellschafterdarlehen nicht zurückbezahlt werden, 14 Millionen von der öffentlichen Hand (also vor allem Stadt Friedrichshafen, Bodenseekreis und Land), fünf Millionen von privater Seite (IHK und Unternehmen).
Was nach Skandal klingt, wird den Kämmerern und Controllern keine schlaflosen Nächte bereiten. Denn schon bei der Gewährung der Kredite war fest vorgesehen, dass sie später in Eigenkapital des Flughafens umgewandelt, also nicht zurückbezahlt werden. Ein weitgehendes Nullsummenspiel für die Kreditgeber, ein Vorteil für den Flughafen, weil er zum einen bis dato mit dem Geld investieren und Schulden tilgen konnte und zum anderen möglicherweise bessere Karten bei der EU hat, wenn diese im Laufe des Sommers prüfen wird, ob das Engagement der öffentlichen Hand für den BodenseeAirport dem EU-Recht entspricht oder nicht.
Der Flughafen Friedrichshafen ist schon lange ein finanzielles Sorgenkind. Hatte das Unternehmen zunächst unter zahlreichen AirlinePleiten (unter anderem Germania und Intersky) und dem Schuldendienst zu leiden, der auch auf ein zu großes Terminal zurückgeht, hat nun die Corona-Krise das Unternehmen endgültig ins Trudeln gebracht. 2017 hatten Stadt und Kreis ein Darlehenspaket von 17,4 Millionen Euro geschnürt, im September 2020 dann ein Hilfspaket in Höhe von bis zu 47 Millionen Euro bis 2025 beschlossen, in das die 2017er-Kredite aber größtenteils eingeflossen sind. Diese Beschlüsse basierten auf der Annahme, dass der Flugverkehr nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 wieder an Fahrt aufnehmen werde. Dies ist bekanntlich nicht passiert. So zählte der Airport im Jahr 2020 nur knapp 120 000 Passagiere, weniger als ein Viertel der Vorjahreszahl.